„Fast 3000 Bürger gehen nicht einfach verloren“

Velbert hat laut der Volkszählung von 2011 nur noch 81 303 Einwohner. Die Stadt zweifelt die Zahlen des Zensus’ jedoch an.

Velbert. Man stelle sich vor, plötzlich ist der Stadt halb Tönisheide abhandengekommen. Per amtlichem Bescheid und ohne Vorwarnung hat sich die Hälfte des rund 6000 Einwohner zählenden Ortsteils in Luft aufgelöst.

Was sich anhört wie ein krauses Gedankenspiel, ist bürokratische Realität. Basierend auf dem „Zensus 2011“, der ersten gemeinsamen Volkszählung in den Mitgliedstaaten der EU, hat das Statistische Landesamt (IT NRW) kürzlich die Einwohnerzahl der Stadt Velbert zum Europatag, dem 9. Mai 2011, amtlich auf 81 303 Bürger festgelegt — mehr als 2900 weniger als das städtische Register zum gleichen Stichtag verzeichnete.

Sogleich wollten die Bündnisgrünen im Umwelt- und Planungsausschuss wissen, wie die Stadt angesichts der neuen Einwohnerdaten mit aktuellen und künftigen Planungen umzugehen gedenke.

Das war für Dezernent Andres Wendenburg jedoch kein Thema, denn die Stadt ist nicht bereit, den faktisch per Dekret festgeschriebenen Bevölkerungsschwund widerspruchslos hinzunehmen. „Fast 3000 Bürger gehen nicht einfach verloren“, wetterte der Beigeordnete und pochte auf die Korrektheit des städtischen Datenbestands. Dieser werde bestens gepflegt, das Melderegister penibel geführt, sagte Wendenburg.

Er nannte zahlreiche Beispiele, durch die Unregelmäßigkeiten bemerkt worden wären, etwa bei der bis 2010 erfolgten Verteilung der Lohnsteuerkarten, anhand von Wahlbenachrichtigungen, amtlichen Zustellungen und nicht zuletzt durch die Gebührenbescheide zu den Kommunalabgaben. Nicht zustellbaren Schriftstücken gingen die Mitarbeiter der Verwaltung regelmäßig nach: „Eine große Anzahl von Rückläufern würde umgehend auffallen“, so Andres Wendeburg.

Mit ihrer Kritik steht die Stadtspitze nicht allein: Auch andere Städte des Kreises klagen über amtlich festgesetzten Einwohnerschwund. So sollen allein Ratingen mehr als 5000 Bürger abhandengekommen sein.

Bis zum 8. Juli läuft die Anhörungsfrist, in der die Kommunen zum Volkszählungsergebnis Stellung nehmen können. Sollten die Zahlen dann endgültig festgeschrieben werden, wolle man mit den anderen betroffenen Städten gegen die Bescheide klagen, sagte Wendenburg. Die amtliche Einwohnerreduzierung hätte auch finanzielle Folgen, beispielsweise durch eine Verringerung von Finanzmitteln, die die Stadt vom Land NRW erhält: „In welcher Höhe lässt sich noch gar nicht beziffern“, so Wendenburg.

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