Ein Stein voller Geschichte(n)

Historie: Ein Mühlstein erinnert an die Oberste Mühle, die 1645 mitten in der Stadt errichtet wurde.

Wülfrath. In der Innenstadt war es die größte von allen: die Oberste Mühle. Vier Mahlgänge mit acht Mühlsteinen hatte sie. Mächtig stand das Mahlwerk an der heutigen Wiedenhofer Straße — dort, wo heute das Haus August von der Twer steht. Im Angergarten erinnert jetzt ein alter Mühlstein an das Bauwerk, das 1970 abgerissen wurde. Die tonnenschwere Erinnerung an die Wülfrather Mühlengeschichte wurde bei den Abrissarbeiten des Bunkers Goethestraße entdeckt. „Da war früher ein Steinbruch, in dem auch Schutt abgelegt wurde“, sagt Denkmalbeauftragter Willi Münch.

Die Stadt hatte den Stein, der vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt, gesichert. Auf dem Baubetriebshof wurde er zwischengelagert, bevor er nun unweit seines ehemaligen Einsatzbereiches platziert wurde. Auf Anregung des Heimatbundes wurde an einem Knäpper neben dem Mühlstein eine Gedenktafel angebracht, die auf Herkunft und Geschichte hinweist. Im Beisein des Heimatbund-Vorstands und des Denkmalpflegers Manfred Kumpf brachte Bauschlosser Jens Schöller, der das Gestell für die Tafel stiftete, sie an.

Es dauert nur einen kurzen Moment, da reden sich die Experten Kumpf und Münch in Wallung. Stadtgeschichte zum Anfassen — da sind die beiden in ihrem Element. An diesem Ort mitten in der Stadt geht sie bis ins Jahr 1587 zurück. „Da haben die Freiherren zu Isselstein den Petershof erworben“, sagt Münch. Das war das Areal um das Gewässer, was heute als Krapps Teich bekannt ist. „Der war damals noch ein Tümpel“, weiß Münch. In der Folge wurde der Teich erweitert, bis Vincent von Isselstein 1645/46 die Oberste Mühle errichtete.

1787 hatte Johan Hendrich Krapp die Mühle übernommen. Bis 1895 betrieben die Krapps, nach denen der Teich benannt wurde, die Mühle. Bis dahin dominierten sie und die Unterste Mühle — sie stand im Bereich Mühlen-/Mettmanner Straße an der Anger — das Mahlgeschehen in Wülfrath. „Da gab es Streitereien, wenn die Oberste Mühle das Wasser staute, und nicht genug Wasser bei der Untersten Mühle ankam“, sagt Münch.

Mit ihren vier Mahlgängen hatte die Oberste Mühle einen Gang mehr als die Unterste. Drei der Gänge mahlten Roggen und Weizen, eine war für Hafergrütze reserviert. Die war damals ein Lieblingsfrühstück. „Heimatdichter Carl Schmachtenberg hat die Liebe zur Grütze sogar in einem Gedicht verewigt“, sagt Münch.

Der jetzt ausgestellte Mühlstein ist ein Naturstein: Eifeler Basaltlava. Alle vier Wochen, so der Denkmalbeauftragte, musste so ein Stein geschliffen werden. „Das dauerte drei Tage.“ So war aber sicher, dass in der Obersten Mühle immer drei Mahlgänge im Einsatz sein konnten.

Ende des 19. Jahrhunderts übernahmen dann die elektrisch angetriebenen Mühlen das Geschäft. Wie die Thomas-Mühle: Sie stand keine 50 Meter von dem Platz entfernt, wo heute der Mühlstein an die Geschichte erinnert, an der Heumarktstraße — mit einem Gartenzugang zum ehemaligen Freibad. Auch das ist längst Geschichte. . .

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