Ein Schulsystem fällt auseinander

Der Schulentwicklungsplan soll Velbert für die Zukunft rüsten. Haupt- und Realschule fühlen sich zu unrecht aufs Abstellgleis geschoben.

Velbert. Zehn Lösungsvarianten für die perspektivischen Probleme in der Velberter Schullandschaft hat die Projektgruppe Biregio in der Hinterhand. Schulschließungen, Neugründungen, Zusammenlegungen und Kooperationen stehen im Raum. Kaum verwunderlich, dass die Vorbehalte der Schulvertretungen bei der jüngsten Informationsveranstaltung in der Aula der Realschule Kastanienallee deutlich zu spüren waren.

„Es ist traurig wie das Schulsystem kaputt gemacht wird“, hieß es aus dem Publikum. Und: „Die Realschule wird tot geredet, wo sie noch nicht tot ist.“ Die Schulen, das wurde deutlich, fürchten um die Einschnitte der kommenden Schulentwicklungsplanung. Kingschule und Realschule Kastanienallee sind auf den Folien der Projektgruppe, deren Zahlen Grundlage für den kommenden Schulentwicklungsplan sein werden, „Resteschulen“, die in ein paar Jahren zu wenig Kinder haben werden, um weiter zu existieren. Gesamtschulen und Gymnasien fürchten hingegen um die Konkurrenz, die eine zweite städtische Gesamtschule im Schulgebiet erzeugen würde.

So war zu spüren, dass viele Schulvertreter eigentlich zum vermeintlich sichersten Lösungsweg tendieren würden: den Status quo erhalten. Nichts tun. Weitermachen. Doch Wolf Krämer-Mandeau, der für Biregio die Zahlen präsentierte, warnte davor: „Auch wenn einiges dafür spricht. Diese Variante geht am Elternwillen vorbei.“

Der ist nach einer Befragung der Väter und Mütter von Kindern, die sich derzeit in Klasse 2 und 3 der Grundschule befinden, eindeutig. Auf die Frage: „Würden Sie ihr Kind an einer zweiten Gesamtschule anmelden?“ antworteten 70 Prozent der Eltern mit „ja“ oder „ja, vielleicht“. Auch die enorme Zahl von Schülern, die jährlich an der bestehenden städtischen Gesamtschule abgewiesen werden, spricht eine deutliche Sprache.

Allerdings, auch das beleuchten die Planer, eine neue Schule — egal ob am Standort Mitte oder Neviges — zieht Risiken mit sich. Perspektivisch ist nämlich wegen der schwächeren Geburtenjahrgänge davon auszugehen, dass bald 25 Prozent weniger Schüler die Sekundarstufe II besuchen werden. „Es kann keine weitere Oberstufe gebildet werden“, machte Krämer-Mandeau klar. Eine Kooperation müsste her.

Auch Haupt- und Realschule müssten laut Biregio-Prognose mit der Eröffnung einer weiteren Gesamtschule um ihre Anmeldezahlen fürchten. „Die Eltern wollen laut Befragung eigentlich zur Gesamtschule. Kommt diese, wäre die Hauptschule am Ende nur noch einzügig“, sagte der Experte.

Schulleiterin Henrike Hallmann hingegen sieht den Verfall ihrer King-Schule noch lange nicht. „Wir haben derzeit 585 Schüler, Tendenz steigend“, sagt die Rektorin der Einrichtung, die durch Schließung der Hardenbergschule und Zustrom durch Flüchtlingskinder zur schülerstärksten Hauptschule in Nordrhein-Westfalen wurde. Hallmanns Theorie: Der Trend aus anderen Städten ist nicht einfach so auf Velbert anwendbar.

Nun sind erst einmal die Schulen gefragt. Die Leiter geben bis Ende November eine Stellungnahme zur Schulentwicklungsplanung ab. Im schnellsten Fall entscheidet dann der Rat am 13. Dezember über das Papier, dass die Richtung für die Zukunft vorgibt.

Definitiv besiegelt ist damit aber noch keine einzige Veränderung. Sozialdezernent Holger Richter machte deutlich: „Jede Maßnahme, etwa eine Neugründung, muss erst nochmal neu geprüft, beraten, neu beschlossen und gegenüber der Bezirksregierung begründet werden.“ Frühestens im Schuljahr 2018/2019 könne sich daher die Schullandschaft in Velbert wandeln.

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