Ein Besuch im etwas anderen Himmel

Wohlbefinden und Wollust werden im Dream Heaven großgeschrieben — ein Blick hinter die Türen des Wülfrather Swingerclubs.

Ein Besuch im etwas anderen Himmel
Foto: Archiv

Wülfrath. Wer in den Himmel der Träume will, muss erst einmal eine steile Stiege hinaufgehen. Einige Stufen nach oben sind es, bevor Janine um die Ecke biegt. Das charmante Lächeln der 35-Jährigen ist wie ein Versprechen: „Hier bist Du zuhause. Hier darfst Du sein.“ Janine ist die Hausdame im Dream Heaven, einem Nacht- und Swingerclub in einem Gewerbegebiet in Wülfrath. Warum eigentlich in einem Gewerbegebiet am Rande der Innenstadt? „Hierher kommen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft“, sagt Janine.

Nach dem Aufstieg empfangen Janine und ihre Kolleginnen die Swinger: Singles und Paare, zwei Drittel sind Stammkunden aus ganz NRW. „Für viele ist es ihr Wohnzimmer“, erzählt Janine, die vor sieben Jahren als Single erstmals privat in einem Swingerclub auftauchte. „Vieles war sehr unpersönlich, und die Frauen sind öfter mal Freiwild gewesen. Anders als hier im Dream Heaven begegneten sich Männer und Frauen dort nicht auf Augenhöhe.“

Das hat sie damals mächtig gestört. So lange, bis sie im Dream Heaven ihre Abende verbrachte und die privaten Besuche schließlich in einem Einstellungsgespräch mündete. Bis vor Kurzem arbeitete sie hauptberuflich als Krankenschwester. Den Job hat sie jetzt gekündigt.

Wer die Treppe zum Traumhimmel erklommen hat, weiß um das Outfit. Weißer Feinripp ist hier verpönt. In einer Liste, so lang wie lustbetont, dreht sich alles um kurz, knapp, eng, durchsichtig, Netz, Röckchen, Kleidchen, Korsage, Lack, Leder, Latex, Dessous, Strapse, Panties, High Heels. „Wir halten hier zur Not auch ein Höschen in Schwarz für zehn Euro bereit“, sagt Dream-Heaven-Geschäftsführer Alex Rentz. Erst dann ist der Gast bereit fürs Abenteuer in fünf „Spielräumen“ und dem Thekenbereich auf insgesamt 300 Quadratmetern.

„Wir wollen, dass hier alle Gäste alle anderen als angenehm empfinden“, sagt Janine. Ein eigener Koch, einige Bardamen und Barmänner, Putzfrau und Alex der Geschäftsführer selbst: Zehn Mitarbeiter kümmern sich an sechs Tagen die Woche um die Gäste. Newcomer-Party, Swingerabend mit Herrenüberschuss — die Spielarten der sexuellen Unterhaltung bedienen die Vorlieben der Gäste.

Alex Rentz, Geschäftsführer

Der Preis ist all inklusive. „Wir kassieren nicht alles einzeln. Wie wollen Sie denn einem nackten Mann in die Tasche greifen?“, sagt Alex zu den Bezahlmodalitäten. „Oft geht der Abend bis tief in die Nacht“, sagt Janine.

Im Club haben sich schon viele Frauen und Männer kennengelernt. Auch Liebesbeziehungen oder Freundschaften zwischen Paaren seien keine Seltenheit. Ansonsten kenne man sich nur im Club — „draußen“ aber nicht. „Ich würde im Supermarkt oder in der Bank niemanden ansprechen, auch wenn ich ihn aus dem Club sehr gut kenne“, sagt Alex. Anonymität sei eine wichtige Geschäftsgrundlage im Traumhimmel.

Alle sozialen Schichten sind hier zuhause, stellt Janine Abend für Abend fest. Arbeiter und Anwalt, Promi oder unbekannte Leute. „Unsere Gäste wollen hier kein Sehen und Gesehen werden wie in einigen anderen Clubs. Sie wollen nur ihren Spaß am Sex“, hat Alex festgestellt. „Wenn Paare oder Singles die Treppe raufkommen, sehe ich sofort, ob sie zu uns passen und sich hier wohlfühlen“, sagt Janine. Ihr Job beginnt, wenn Er die Jack-Wolfskin-Jacke abgelegt und das Erotik-Shirt (meist schwarz) übergezogen hat, „das Gespräch locker aufzunehmen, es weiterzuspinnen und so für ein Geborgenheitsgefühl zu sorgen “.

Nervös sind Viele, aufgeregt Einige, ängstlich nur Wenige: „Spätestens nach einer halben Stunde ist das vorbei“, weiß sie. Eine 25-Jährige, die schüchtern zwischen den Gästen umherstrich, fiel Janine direkt auf. „Ich nahm sie zu mir an die Seite und fragte, ob ihr etwas fehle.“ Leise fragte die junge Frau, ob Janine ihr helfen könne: „Ich habe noch nie einen Orgasmus gehabt.“

Im Club geht es direkt zu. „Das ist eine andere Welt, die die Gäste aber auch so wollen. Die meisten trauen sich schon, zu sagen, was sie möchten. Aber sie müssen es natürlich nicht“, sagt Alex. Er hat 15 Jahre Erfahrung in der Party- und Swinger-Szene. Er kennt das Geschäft, das ehrlich und korrekt geführt so gar nicht schmuddelig sei, wie manche behaupten. In Facebook- und Twitter-Zeiten, in denen Shopping-Vorlieben, das eigene Mittagessen und sogar Familienfotos zur Schau gestellt werden, bietet das Dream Heaven den letzten Rest Privatheit.

Jeder schmutzige Sex sei erlaubt — nur das Drumherum müsse absolut sauber sein, sagt er. Alles im Dream Heaven ist deshalb aus Leder, Chrom oder hat feste glatte Flächen, die man leicht abwischen kann. „Ein Stoffbezug auf Barhockern oder eine Plüsch-Couch im Partyraum geht gar nicht, schon von der Hygiene her“, sagt Alex. Um Gäste von der Sauberkeit seines Etablissements zu überzeugen, „würde ich auch das Putzlicht anknipsen, damit die Leute gucken können.“ Der Partyraum mit silberner Diskokugel, Theke, Barhocker und Lederschlaufen-Schaukelsitz, ist eingetunkt in eine frivole rot-schwarze Lichtwolke. Am 1. Weihnachtstag feierten hier Singles den vielleicht besinnlichsten Abend des Jahres in ihrer „Familie“. „Weihnachten fällt es am meisten auf, wenn man alleine ist“, sagt Janine. „Aber das fangen wir hier auf.“

Am Silvesterabend begrüßten mehr als 80 Swinger den Höhepunkt des Jahres mit einer frivolen Party ins neue Jahr. Spontane Abendkassen-Gäste nicht eingerechnet. Neben Bleigießen und Buffet gab es eine Tombola, Getränke und gutes Essen — auch wenn vor allem Sex als Hauptspeise auf der Speisekarte stand.

Dating-Zimmer, Lila-Zimmer, Kuschelzimmer, Kreuzzimmer, Darkroom: „Ich liebe und lebe dieses Leben hier“, sagt Janine. Aber: Ihren täglichem Aufstieg über die Treppe ins Dream Heaven folgt nach Feierabend wieder der Abstieg ins öffentliche Leben. Janine ist keine Traumtänzerin.

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