Café Euer: Kaffeeklatsch mit Aussicht

Vor 20 Jahren schloss das Café Euer. Damit ging an der Wilhelmstraße eine Ära zu Ende. 1912 hatte Willi Euer die „Conditorei“ eröffnet.

Wülfrath. Verliebte Pärchen haben dort gesessen. Und ältere Damen, die sich zum Kaffeekränzchen trafen. Offiziere der Royal Air Force, Ausflügler, die Honoratioren der Stadt standen ebenfalls auf der Gästeliste des Cafés Euer, das vor 20 Jahren seine Türen schloss, war lang. Schließlich konnte man sich dort in bester Innenstadtlage mit breiter Fensterfront nicht nur Kaffee und Kuchen schmecken lassen, sondern auch beobachten, was auf der Wilhelmstraße so alles passierte.

Als zum Jahresende 1992 klar war, dass für das Traditionshaus die letzten Tage angebrochen waren, ging nicht weniger als eine Ära zu Ende. Im Jahre 1912 — also vor genau 100 Jahren — hatte Willi Euer das Café an der Wilhelmstraße eröffnet.

Neu war das Metier für ihn nicht, schließlich hatte Vater Wilhelm ein paar Häuser weiter eine Bäckerei. In aller Herrgottsfrühe in der Backstube zu stehen und sich in Sachen Kuchen und Torten immer wieder etwas Neues auszudenken, das bekam Willi Euer quasi in die Wiege gelegt.

Im Ersten Weltkrieg musste das Café vorübergehend geschlossen werden, Willi Euer wurde zum Militärdienst eingezogen. Auch der Zweite Weltkrieg sorgte für Turbulenzen. Das Café Euer wurde kurzzeitig zum Casino für die Offiziere der Besatzungsmächte umfunktioniert. Währenddessen ging der Betrieb in der Backstube weiter, verkauft wurde im Hof der Bahnhofstraße 3. Als die Soldaten ausgezogen waren, wurde erst mal renoviert.

Auf den Großvater und den Vater folgte später auch der Enkel. Karl-Wilhelm Euer lernte das Konditorhandwerk sogar in der Schweiz, deren Bäcker und Konditoren einen internationalen hervorragenden Ruf besaßen. Nach der Meisterprüfung übernahm er 1963 das väterliche Geschäft. Die Qualität der Wülfrather Backwaren hatte sich längst über die Stadtgrenzen hinaus herumgesprochen. So gab es die „Euer-Torten“ sogar im Café Hemesath an der Düsseldorfer Königsallee.

Nicht nur am Nachmittag war das Café Euer immer gut besucht. Auch abends traf man sich dort auf ein Gläschen Wein oder einen Cognac.

Bislang waren es immer die Söhne der Familie, die die Tradition fortsetzten. Nun hatten Ursula und Karl-Wilhelm Euer aber drei Töchter, und die hatten andere berufliche Pläne. Mit dem Café starb vor 20 Jahren ein Stückchen Wülfrath: „Aber was soll man machen“, sagte damals Karl-Wilhelm Euer. Auch ihm war der Abschiedsschmerz anzusehen. Zuvor hatte die Familie noch mehrere Jahre lang versucht, einen Nachfolger für die Konditorei zu finden. Die Bemühungen waren vergebens.

Seit zwanzig Jahren gibt es in der Wilhelmstraße 84 nun gebratene Pekingente, nachdem dort ein Chinarestaurant eingezogen war.

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