Beruf Bauer: Im Stall gibt’s keinen Feiertag

Kühe melken, Stroh verteilen, Kälbchen füttern — für Familie Mühlinghaus steht die Arbeit auch an den Feiertagen auf dem Programm. WZ-Redakteur Benjamin Dietrich hat Landluft geschnuppert und mit angepackt.

Velbert. Der Körper der grauen Maus hängt tot zwischen den Zähnen von Katze Helma. Es ist ihr Frühstück, das sie sich gefangen hat. Damit steht sie vor dem silbernen Renault und begrüßt mich voller Stolz über ihren Fang zu meiner Frühschicht auf dem Milchbauernhof von Familie Mühlinghaus in Velbert Neviges.

Es ist sechs Uhr morgens. Stockduster ist der Himmel über dem Stall, in dem die Kühe stehen. Krähen sind zu hören. Sie fliegen über Ackerflächen. Unter dem Dach im Stall flattern Spatzen über den Köpfen der Milchkühe durch das gleißende Licht der Neonröhren. „Das sind unsere Hochleistungssportler“, begrüßt mich Martin Mühlinghaus (23), der Sohn von Emil (56) und Dorothea Mühlinghaus (57), im Stall. Denn die Kühe haben am Tag einiges zu leisten: Bis zu 30 Liter Milch gibt ein Tier. Wenn sie gekalbt haben, können es bis zu 60 Liter sein.

Sohn Martin hat schon einige der 87 Tiere, die heute gemolken werden sollen, zur Milchküche getrieben. Seine Eltern und ich warten darauf, sie mit den Melkmaschinen anzuzapfen. Später stößt auch Martin dazu.

Die Kühe betreten in zwei Gruppen den Raum. Ich halte schon die Melkmaschine in der Hand, doch ich kann sie gleich wieder loslassen. „Denn bevor wir mit dem Melken beginnen, müssen wir erst die Euter sauber machen“, sagt Martin und drückt mir eine Küchenrolle in die Hand. Zwei Blatt reiße ich ab, so wie die Melkprofis es auch tun. „So, und jetzt die Zitzen abreiben und von Stroh und Schmutz befreien“, fordert mich Martin auf. Und ich lege los.

Doch es kann immer noch nicht losgehen. Die Zitzen müssen per Hand quasi „angemolken“ werden, damit auch die Maschinen später ganze Arbeit leisten können. Ich versuche es, doch so recht will keine Milch fließen. „Nicht zu zaghaft, ruhig ein wenig kräftiger zulangen“, sagt Dorothea Mühlinghaus. „Die sind nicht so empfindlich.“ Die Finger drücken fester an der Zitze und ziehen sie gleichzeitig nach untern. Schon spritzt die Milch.

Doch es bleibt keine Zeit, sich darüber lange zu freuen. Es warten noch mehrere dutzend Kühe, die gemolken werden müssen. Ein Tier nach dem anderen wird per Hand angezapft. Danach kommt die Melkmaschine an den Euter.

In der Milchküche sind rhytmische „Tac-Tac“-Geräusche zu hören. Die Kühe bleiben ruhig bis zum Ende des Melkens. Dann verlassen sie wieder die Milchküche und laufen Richtung Stall — ohne angetrieben werden zu müssen. „Die kennen den Weg schon. Sie machen den Job ja auch schon länger“, sagt Martin Mühlinghaus.

Doch bevor sie gehen dürfen, spritze ich jede einzelne Zitze noch mit einer Jodlösung ab. „Das ist wichtig zur Desinfektion. Schließlich produzieren wir hier ein Lebensmittel“, sagt Emil Mühlinghaus.

Die Füße werden kühler. Doch die Arbeit ist noch längst nicht erledigt, obwohl die Milchküche schon alle durch die Melkstation gelaufen sind. „Wir müssen die Liegeplätze mit neuem Stroh auslegen. Das machen wir aber nur zweimal in der Woche“, sagt Martin.

Mit einer Schubkarre fahre ich nach und nach 15 Strohpacken mit jeweils 25 Kilo in den Stall. Mit der Mistgabel wird das Stroh über die Liegeplätze verteilt. Die Arme werden schwerer, die Beine auch. Und die Hände sind eiskalt. Dazu zieht es, in der Nase liegt der typische Stallgeruch. Ich denke: Wie halten die Mühlinghaus das nur aus, diese harte Arbeit zweimal am Tag zu erledigen?

Denn gemolken wird auch noch einmal nachmittags — und das auch am Heiligen Abend und an den Feiertagen. „Das ist Routine. Wir haben uns daran gewöhnt“, sagt Martin. Seine Mutter nickt. „Wir organisieren das dann anders und melken ein wenig früher als sonst, damit wir auch noch am Abend besinnlich beisammen sitzen können. Aber wir müssen ran, auch an den Feiertagen“, sagt sie.

Kurze Verschnaufspause für die Mühlinghaus und mich: Die Hausherrin hat ein Frühstück zubereitet. Brot, Quark, Marmelade und Käse schmecken gut nach der körperlichen Arbeit — auch die frische Milch aus dem Tank der Milchkühe ist fantastisch und viel besser als die aus der Tüte.

Bis sie dort landet, lagerte sie vorher bei vier Grad in einen der beiden Tanks in der Milchküche. Die Behälter fassen insgesamt 10 000 Liter. Alle drei Tage wird die Milch abgeholt und zu einem Molkereibetrieb nach Köln gebracht, wo sie verarbeitet wird, bis sie später als Trinkmilch, Joghurt oder Quark im Kühlregal steht.

„Jetzt geht es aber weiter“, sagt Martin. Die Kälbchen müssen gefüttert werden. Sie saugen wild an den Eimern mit den Saugvorrichtungen, die wir mit Milch befüllen. „Niedlich die Kleinen“, denke ich. Doch irgendwann werden sie auch so groß sein wie ihre Mütter im Stall. Und dann heißt es auch für sie zweimal am Tag: Ab in die Milchküche zum Melken, und das jeden Tag. Denn Milchkühe und ihre Bauern kennen keine 24 Stunden Freizeit — auch nicht an Weihnachten.

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