Auf diesem Hof hat jede Kuh einen Namen

Die WZ stellt das Windrather Tal vor: Der Schepershof bietet eine riesige Vielfalt an Bio-Gemüse. Ein Konzept mit viel Idealismus

Auf diesem Hof hat jede Kuh einen Namen
Foto: Ulrich Bangert

Neviges. Julante hat Durst, Lavera schrubbt sich und Lea hat Mühe, ihre Fliegen abzuschütteln. „Bei uns hat jede Kuh einen Namen“, sagt Karla Ulber, eine von fünf Betriebsleitern des Schepershofs. Ihre Kühe kann sie auf Anhieb auseinanderhalten. „Die unterscheiden sich doch an den Flecken oder der Kopfform“, sagt sie. Zudem gebe es unter den Paarhufern auch unterschiedliche Persönlichkeiten: verschmuste, zickige und schüchterne.

Auf dem Schepershof, einem von sechs Biohöfen im Windrather Tal, ist vieles anders. So ist etwa die Vielfalt des Gemüseanbaus ungewöhnlich groß. Stolz zeigt Ulber die verschiedenen Tomatensorten in ihrem Zuchthaus. Neben den roten, wachsen dort auch gelbe, grüne und sogar lila-farbene Exemplare. Auf dem Acker sprießen je nach Saison Kürbisse, Brokkoli, Porree, Pastinaken, Rotkohl, Zuckermais und vieles mehr. 20 bis 25 Gemüsesorten kann der Hofladen daher über das Jahr verteilt anbieten. Alles natürlich Bio-Anbau ohne synthetischen Dünger oder Pestizide.

Ulber lacht: „Jeder Berater von der Landwirtschaftskammer würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und uns empfehlen, doch lieber eine Sache richtig zu machen.“ Doch die Wirtschaftlichkeit stehe bei dem Hof nicht an erster Stelle. So verfolgt die Züchtung der unterschiedlichen, teils exotischen, Gemüsesorten auch Forschungszwecke. „Eine ganze Portion Idealismus gehört schon dazu“, sagt die 33-jährige Agrarbetriebswirtin. „Reich werden wir hier nicht.“

„Wir“ das ist nicht etwa eine Familie, die den Schepershof seit Jahrzehnten bewirtschaftet — auch das ist anders auf den 55 Hektar im Windrather Tal. Hinter dem Hof steht ein Verein, der sich „praktische Naturwissenschaft, Pädagogik und Sozialtherapie“ auf die Fahne geschrieben hat. Er überlässt Land, Gebäude, Maschinen und Vieh gegen eine „Nutzungsentschädigung“, ähnlich einer Pacht, der Betreibergesellschaft. Diese besteht aus fünf Personen, die im Laufe der Jahre wechseln können, während der Hof in seinen Zielen weiterbesteht.

Das funktioniert so seit 1979. Karla Ulber ist seit fünf Jahren dabei. Sie ist im Siegerland nicht in die Landwirtschaft hineingeboren worden und hat sich ganz bewusst für diesen Weg und das entsprechende Studium entschieden, weil sie die Landwirtschaft schon als Kind fasziniert hat.

Und heutzutage versucht der Schepershof diese Leidenschaft auf die nächste Generation zu übertragen. Daher versteht sich der Betrieb als offener Hof. Auf dem Spielplatz des Geländes ist daher regelmäßig Trubel und vor den Tieren stehen nicht selten faszinierte Kinder. „Früher konnte jeder kommen, wann er wollte. Das haben wir etwas zurückgefahren“, erklärt Ulber. Das Angebot wurde nämlich so gut angenommen, dass rund um die Uhr Kinder den Schepershof unsicher machten. Jetzt gelten zumindest die Öffnungszeiten als kleine Beschränkung.

Gründe auf den Hof zu kommen, der mit Windrad und Photovoltaikanlage seine eigene Energie produziert, gibt es nicht nur für Kinder und Besucher des Hofladens. Seit drei Jahren lädt das Hofcafé zu einem Heißgetränk zwischen Tier und Natur ein. Milch, Eier, Fleisch, Käse und Gemüse vertreibt der Schepershof genau wie die Nachbarn im Windrather Tal über einen gemeinsamen Händler. Die Gemeinschaft im Tal hält zusammen.

Hof, Laden und Café an der Windrather Straße 134 öffnen mittwochs und donnerstags von 15 bis 18 Uhr, freitags von 9 bis 18 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr. In den kommenden zwei Wochen gibt es im Hofladen wegen der Ferien nur ein eingeschränktes Sortiment.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort