Handball Geheimniskrämerei dank Datenschutz

Kreis Mettmann. · Der Handball-Verband Niederrhein setzt ein von Datenschützern gewünschtes Verbot um. Nun werden keine Spielberichte mehr veröffentlicht.

 Kennt beide Seiten: Klaus Majeres war auch zu einer Zeit als Abteilungsleiter bei der SG Langenfeld aktiv, als es im Handball noch keinen elektronischen Spielbericht gab. Sein Glück: Majeres hat sein Amt im Sommer abgegeben.

Kennt beide Seiten: Klaus Majeres war auch zu einer Zeit als Abteilungsleiter bei der SG Langenfeld aktiv, als es im Handball noch keinen elektronischen Spielbericht gab. Sein Glück: Majeres hat sein Amt im Sommer abgegeben.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Das ist erstaunlich. Sie sind beide in derselben Stadt zu Hause. Die Mitarbeiter der sieben Referate bei der „Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit“ haben ihren Dienstsitz in der Kavalleriestraße zu Düsseldorf. Die Entfernung bis zur Geschäftsstelle des Handball-Verbandes Niederrhein (HVN) an der Feuerbachstraße beträgt knapp fünf Kilometer – rein geographisch eine Kleinigkeit. Rein sachlich liegen zurzeit allerdings gleich mehrere Welten oder sogar Galaxien zwischen den beiden Einrichtungen. Und just am ersten kompletten Spieltag der neuen Saison 2019/2020 machte sich das sehr intensiv bemerkbar. Der in den vergangenen Jahren übliche öffentliche Zugriff auf die Spielberichte und Statistiken war nicht mehr möglich. Endergebnis und Halbzeitstand ja, Details nein. Unter dem gesperrten Zugriff litten die Regionalliga Nordrhein, weil in ihr zahlreiche Vereine aus dem Niederrhein aktiv sind, und die Oberliga Niederrhein.

Zuständig für die Sachlage im Verband ist Michael Girbes, der Vorsitzende der Technischen Kommission. Seiner Aussage nach hat der Landes-Datenschutzbeuaftragte NRW bereits vor einem Jahr verboten, die Spielberichte in der aktuellen Form weiter online zu stellen. Über die Details mag er nicht reden. Aber klar ist, was sich natürlich auch unter den Vereinen herumgesprochen hat: Es gab eine Beschwerde. Eine einzelne Beschwerde, die die Datenschützer zum Verbot veranlasste. Der Verband, sagt Girbes, habe sich daraufhin Gedanken gemacht und im März ein Konzept für eine Lösung vorlegt. Passiert ist daraufhin wenig: „Wir warten seit sechs Monaten auf eine Antwort.“

Weil eben keine Klärung erfolgt sei, habe man dann aus Sorge um etwaige rechtliche Konsequenzen die jetzt gesehene Variante an den Start gebracht. Der Wechsel vom alten Anbieter für die Ergebnisse zu einem neuen in diesem Sommer spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Auch der frühere habe im Grunde bereits in der Pflicht gestanden, aber nichts unternommen – ohne Folgen. Für den HVN hofft Girbes nun, dass die Sache bis Ende des Jahres vom Tisch ist.

Das Problem ist vielschichtig. Datenschutz ist im Zeitalter von Unternehmen, die sich Informationen auf jede erdenkliche Art und Weise beschaffen, unerlässlich. Es gibt Bereiche, in denen es unbedingt jedem Einzelnen überlassen sein muss, Dinge von sich preiszugeben – oder eben nicht. Dafür gibt es Gesetze und Normen, die einzuhalten sind. Vermutlich kann und darf es da nicht mal zwei Meinungen geben. Im vorliegenden Fall scheint es allerdings eher so zu sein, dass die Entscheidung aus Düsseldorf glatt am Ziel vorbeigeht, weit darüber hinausschießt und sowieso die Falschen trifft.

Berichte über ein Spiel mit Infos über Aufstellungen, Torschützen, Spielstände oder Zeitstrafen als Verstoß gegen den Datenschutz? Absurder geht es nicht. Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, um dort seinen Sport zu treiben, sucht in der Regel auch nach öffentlicher Anerkennung – gerne mit seinem Namen versehen und das garantiert immer, wenn es um etwas Positives geht. Der Spieler, der nicht gerne liest, wenn er zweistellig getroffen hat, möge sich unverzüglich melden. Und Handballer können es ab, wenn sie wegen der dritten Zeitstrafe die Rote Karte gesehen haben. Wollen die Datenschützer aus Düsseldorf am Ende vielleicht nur verhindern, dass sich Vereine gegenseitig ausspionieren und übereinander informieren? Es gibt derart viele Fragen, dass alle Freunde des Handballs ratlos zurückbleiben (müssen).

Dies gilt umso mehr, weil die Einschränkung aktuell nur den Handball am Niederrhein und Mittelrhein betrifft – nicht aber andere Verbände aus der eigenen Sportart (Hessen, Thüringen) oder gar andere Sportarten (Tennis). In der Oberliga Mittelrhein funktionierte das bisherige Prozedere ebenfalls ohne Einschränkung – und ohne irgendeine Form des Protestes dagegen. Das wiederum war ein bisschen verwunderlich, weil der Mittelrhein doch auch ein Teil von NRW ist. Oder nicht? Wer zum Beispiel in Langenfeld wohnt und sich ein Spiel der Oberliga ansehen will, aber verhindert ist, bekommt im Internet nur das nackte Ergebnis geboten. Niederrhein eben. Im benachbarten Opladen sah die Welt zunächst ganz anders aus. Furchtbar: Da stand tatsächlich, wer zum Auftakt beim 21:26 des TuS 82 II im Aufsteigerduell der Oberliga Mittelrhein beim HC Weiden II die meisten Tore erzielte. Es war Opladens Timm Kreutzer mit sieben Treffern. Unfassbar: Inzwischen hat auch der Mittelrhein die Einsicht in die Spielberichte unterbunden und sich der Geheimniskrämerei angeschlossen.

Warum die restriktive Handhabung der Daten erst ab der Regionalliga greift: Oberhalb sehen das die Datenschützer wohl als Profisport. Das mag dann nicht zuletzt damit zu tun haben, dass sie noch nicht so oft beim Handball waren und sich von den Bedingungen ein eigenes Bild gemacht haben. Bei allem Respekt: In vielen, wenn nicht den meisten Hallen oder Vereinen kann von professionellen Bedingungen nicht die Rede sein. Selbstredend verdienen die Spieler dort auch Geld (mal mehr, mal weniger), aber ausreichend für den Lebensunterhalt? Niemals. Darüber hinaus soll es selbst in der Oberliga Spieler geben, die relativ ordentlich bezahlt werden. Allein die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass es hier und da sogar mehr als bei manchem Drittligisten sein dürfte.

Bleibt es bei der aktuellen Praxis, kippt der Handball am Niederrhein direkt zurück in die Informations-Steinzeit. Dann werden wieder Spielberichte abfotografiert oder auf einen Stenoblock niedergeschrieben. Oder wollen die Datenschützer das auch unterbinden? Und was machen sie, wenn wir jeden einzelnen Spieler kennen und gar keinen Spielbericht brauchen? Die ernst gemeinte Aufforderung an alle Beteiligten: Findet eine Lösung. Besser gestern als heute. Alles andere schadet dem Handball. Noch etwas ist sehr ernst gemeint: Die lächerlichen fünf Kilometer zwischen Kavalleriestraße und Feuerbachstraße müssten sich überbrücken lassen.

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