Fund Marketing-Idee nach Seekuhknochen-Fund

Ratingen. · Die FDP sieht in dem Sensationsfund die Möglichkeit, eine Vermarktung ähnlich dem Mettmann-Mammut anzugehen.

 Die ungefähr 28 Millionen Jahre alten Knochen sind durch ihren guten Zustand von großem Wert für die Paläntologie.

Die ungefähr 28 Millionen Jahre alten Knochen sind durch ihren guten Zustand von großem Wert für die Paläntologie.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Als Tina Pannes, die FDP-Vorsitzende, beim vielbeachteten Neujahrsempfang auf die in Ratingen Ost gefundenen Seekuhknochen zu sprechen kam, zauberte sie ein Lächeln in die Gesichter der mehr als 100 Gäste. Die promovierte Politikwissenschaftlerin hat ein feines Gespür für Themen, die die Ratinger Stadtgesellschaft bewegen – und der sensationelle Fund auf dem Areal des neuen Schwarzbach-Quartiers gehört eindeutig dazu.

Pannes machte nun einen bemerkenswerten Vorschlag: Man könnte die Seekuh doch vermarkten. Und dabei blickte sie Bürgermeister Klaus Pesch an. Weitergehende Pläne sind bisher nicht bekannt. Tatsache ist jedoch, dass der Projektentwickler Cube Real Estate das Thema auf der Agenda hat und den Fund auf irgendeine Art und Weise würdigen will. Das kann in Form eines Informationssteines sein oder eines öffentlichen Namens an einem Gebäude.

Tatsache ist auch, dass die Ratingen Marketing eine weitergehende Vermarktung übernehmen könnte, möglicherweise auch in Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur und Tourismus. Ähnliche erfolgreiche Beispiele gibt es ja bereits: Man nehme nur das putzige Plüschmammut für den Kreis Mettmann.

Die Ratinger Seekuh muss vor
28 Millionen Jahren gelebt haben

Pannes rennt mit ihrer Idee jedenfalls offene Türen ein. Zahlreiche Gäste zeigten sich sehr angetan. Thematisch sollte man die Seekuh in Ratingen nicht untergehen lassen, schließlich handle es sich um einen außerordentlich wichtigen Fund, so der Tenor.

Rückblende: Bei geologischen Untersuchungen hatten Mitarbeiter des Geologischen Dienstes NRW Anfang des Jahres fossile Knochen entdeckt. Ein echter Sensationsfund, wie er seit Jahrzehnten im gesamten Rheinland nicht mehr gelungen war. Vor 28 Millionen Jahren lebte das Tier hier in einem flachen, warmen Meer unter subtropischem Klima.

Für die beiden Entdecker, die Geologen Stephan Becker und Daniel Schrijver, war es ein herausragender Moment: „Wir mussten die schlammbedeckten Fundstücke erst in einer Pfütze waschen, bevor wir erkannten, dass es sich um Seekuh-Knochen handeln könnte.“ Das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland sorgte für eine zügige Bergung der Knochen und beauftragte den Geologischen Dienst NRW unter dem Aspekt der paläontologischen Bodendenkmalpflege mit den Untersuchungen des fossilreichen Fundhorizontes.

„Das Rheinland beherbergt zahlreiche, zum Teil bedeutende Fundstellen fossiler Pflanzen und Tiere, die vom Geologischen Dienst NRW in Kooperation mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland untersucht werden“, sagte Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland.

Wie der Rest der Niederrheinischen Bucht war auch das heutige Gebiet der Stadt Ratingen im Oligozän vor 28 Millionen Jahren von einem flachen Meer bedeckt. Entsprechend reich war auch die Ausbeute an kleinen Fossilien wie Muscheln, Schnecken, Seepocken und Korallen, die beim aktuellen Fund in Ratingen außer den Seekuhknochen aus dem sichergestellten Erdreich isoliert wurden.

Damals befand sich Ratingen
in einem Küstenbereich

Auch Haizähne und sogenannte Gehörsteine von Knochenfischen wurden gefunden. Das Besondere an dem Fundort im Neubaugebiet Schwarzbach-Quartier ist aber, dass er ziemlich genau am Übergang zwischen der Rheinebene und dem Bergischen Land und somit am Rheinischen Schiefergebirge liegt – also vor 28 Millionen Jahren im Küstenbereich des damaligen Meeres, wo die Seekühe – ähnlich wie ihre wenigen Nachfahren in den Tropen – die Seegraswiesen abweideten.

In diesem Gewässer ist die Ratinger Seekuh vermutlich einst verendet, auf den Meeresboden gesunken und nach und nach von anderen Tieren gefressen worden. Auf den Knochen siedelten sich wohl schnell Seepocken an, und nach etwa einem Jahr, so schätzte Christoph Hartkopf-Fröder, Paläontologe beim Geologischen Dienst NRW, dürften die Knochen des Tieres vollständig von Sand bedeckt gewesen sein.

Der gute Zustand und die große Zahl der gefundenen Knochen machen diesen Fund zu einer Besonderheit. Laut Oliver Hampe, Spezialist für fossile Meeressäuger am Museum für Naturkunde in Berlin, sind aus dem gesamten Rheinland nur zwei vergleichbare Funde bekannt. Der erste stammt von früheren Bauarbeiten am Kreuz Kaiserberg, der zweite, aus Bottrop, liegt ebenfalls schon eine längere Zeit zurück. Hampe bedauerte lediglich, dass der Schädel (noch) nicht gefunden wurde.

Dieser würde eine exaktere Bestimmung der Art ermöglichen. Aus den gefundenen Rippen, Wirbelfragmenten und kleineren Knochenstücken lassen sich entsprechende Schlüsse nicht ziehen. Bislang vermutet der Experte, dass es sich um ein Exemplar der Gattung Kaupitherium handelt, vielleicht der Art Kaupitherium gruelli, die der Kaiserberger Seekuh zugerechnet wird.

Da die Knochen vermutlich von Haien und anderen Tieren beim Fressen verteilt wurden, besteht durchaus die Hoffnung, dass der Schädel noch auftaucht, denn im Schwarzbach-Quartier warten bekanntlich noch mehrere Baufelder auf ihre Ausschachtung. Diese wird jetzt mit noch größerer Sorgfalt durchgeführt als bisher schon.

Der Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland war voll des Lobes über die gelungene Zusammenarbeit mit der Cube Real Estate, die das Quartier entwickelt, und der Baufirma Köster: „Hier haben alle vorbildlich Hand in Hand gearbeitet.“

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