Lintorf: Allerbeste Heimatgeschichte

Die neue Ausgabe der "Quecke" der Lintorfer Heimatfreunde ist frisch erschienen.

Lintorf. Sie ist ungefähr genauso alt wie "Der Spiegel" oder der "Stern", erreicht zwar nicht deren Auflagezahlen, ist aber ebenso unterhaltsam wie bildend: "Die Quecke". Die "Ratinger und Angerländer Heimatblätter" werden seit 60 Jahren vom Verein Lintorfer Heimatfreunde herausgegeben. Gerade ist die 80. Nummer erschienen.

Auf mehr als 270 Seiten mit zahllosen Schwarz-weiß- und Farbfotos bietet das Heft in 70Artikeln von 54 Autoren wieder Lesestoff bester Art: Geschichte und Geschichtchen aus dem Dorf, aus Ratingen und Umgebung, Mundart, "Dönekes", Historie und Aktuelles - Kurzweil garantiert. Erklärt wird auch, woher das Heft seinen Namen hat: Die Quecke ist ein zählebiges, auf dem Lintorfer Sandboden besonders gut gedeihendes Wildkraut, das sich kaum ausrotten lässt.

Die Quecke war Gärtnern und Bauern eine Plage, hartnäckig hält sich auch die Behauptung, die Lintorfer hätten vor lauter Armut früher das Gewächs als Ersatzgetreide verspeist, was ihnen den Schimpfnamen "Quiekefreeter" ("Queckenfresser") eingebracht haben soll, wie Bastian Fleermann geschrieben hat.

Das Titelbild der aktuellen "Quecke" ziert das frisch renovierte "Haus Merks", dessen Geschichte und die seiner Bewohner, zumeist arme Kleinbauern, Heimatverein-Vorsitzender Manfred Buer detailliert nachzeichnet. Wer erinnert sich denn schon noch daran, dass in dem Häuschen 1879 Lintorfs erste Metzgerei eröffnet wurde und Jahre später die "Grob- und Feinbäckerei Friedrich Steingen" dort ihrem Handwerk nachging...

Ein Stück bedrückende Zeitgeschichte wird in Barbara Lüdeckes Artikel über Willem Briedé vermittelt. Die Archivarin der Heimatfreunde hat recherchiert, dass der in Amsterdam geborene Mann für ein Kopfgeld von 7,50Gulden hunderte von Juden aufgespürt und ausgeliefert hatte, die dann in den Vernichtungslagern Auschwitz und Treblinka ermordet wurden. Nach dem Krieg wurde Briedé in Abwesenheit von einem niederländischen Gericht zum Tode verurteilt. Der Richterspruch wurde allerdings nie vollstreckt, denn Briedé hatte sich dem Zugriff der Justiz entzogen: Er lebte unerkannt, jedoch unter seinem richtigen Namen in Lintorf - bis zu seinem Tod 1962.

Einen krassen Gegensatz dazu bietet die kuriose und exotische Heimat- und Lebensgeschichte, die Nishit Bhattacharya erzählt. Der Inder baute 1959 in Äthiopien die erste Textilfabrik des Landes mit auf und landete anschließend in Ratingen, wo er in der Textilfabrik Cromford Arbeit fand. Später verschlug es ihn in das Mönchengladbacher Unternehmen Schlafhorst, doch wohnen wollte der gebürtige Inder weiter in Ratingen.

Abgerundet wird das Leseangebot mit Anekdoten und Geschichten, historischen Untersuchungen, Rückblicken und Ausblicken, Mundartgeschichten und -gedichten. Dabei wird der Blick auch über die Dorfgrenzen hinaus gelenkt - auf Ratingen und den Düsseldorfer Norden.

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