Kriminalität: Wieder mehr junge Täter

Das Jugendamt rechnet in diesem Jahr mit mehr als 500 Straftaten. Die Zahl der Delikte war in den vergangenen Jahren rückläufig.

Ratingen. Ein Päckchen Kaugummi oder ein Lippenstift im Supermarkt, ein Videospiel im Elektronikgeschäft — nicht immer gehen Kinder und Jugendliche mit diesen Artikeln nach dem Einkaufen auch zur Kasse. Werden sie erwischt, gibt’s reichlich Ärger: Polizei, Strafanzeige, Gericht, Jugendamt. Dabei ist Ladendiebstahl nur eine Möglichkeit, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.

Handy-Abzocke, Jackenklau, Autoaufbruch, Bedrohung und Beleidigung, Sachbeschädigung durch Graffiti und nicht zuletzt Körperverletzung — bei einer Schlägerei etwa — sind typische, bei Jugendlichen besonders verbreitete Delikte. 428 Straftaten von Kindern und Jugendlichen wurden im vergangenen Jahr in Ratingen registriert, 2011 waren es noch 487, 2010 sogar 625. Für eine Entwarnung gibt es aber keinen Anlass: Denn für dieses Jahr rechnet das Jugendamt wieder mit weit mehr als 500 Fällen.

„Wir wollen die Jugendlichen nicht hinter Gitter, sondern auf die rechte Bahn bringen“, sagt Diane Dulischewski, die bei der Kripo für den Jugendbereich zuständig ist.

Wird ein Jugendlicher oder Heranwachsender erwischt, fangen die Justizmühlen an zu mahlen. „Die Anzeige geht zur Staatsanwaltschaft, wo sie geprüft wird. Bei Ersttätern wird das Verfahren oft eingestellt — mal mit, mal ohne Auflagen“, sagt Dulischewski. Deshalb wurde vor einigen Jahren die Aktion „Gelbe Karte“ ins Leben gerufen. Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt arbeiten eng zusammen. Ganz ohne Strafe geht es aber auch nicht.

„Dabei kann das Gericht sehr kreativ sein“, erklärt Dulischewski. Einen zehnseitigen Aufsatz schreiben bei einem Verkehrsdelikt, Umgangsverbot mit einem Kumpel, mit dem es immer Stress gibt, Verbot in die Altstadt zu gehen, wenn es dort öfter Ärger gegeben hat — „der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Dulischewski.

Wenn es zu einer Anklage kommt oder bei Wiederholungstätern, tritt das Jugendamt in Aktion. „Wir laden die Jugendlichen mit ihren Eltern zum Gespräch ein“, sagt Gerhard Benz vom Bereich Jugendhilfe. Dann werde auch das Umfeld abgeklopft und geklärt, wo es noch Probleme gibt.

Kommt es zu Anklage, Prozess und Urteil, bedeutet das immer noch nicht Haft. „Wir bieten als Vorstufe den Wochenendarrest an. Die Kandidaten haben dann in 48 Stunden Zeit zum Nachdenken — ohne Handy, Computer und alles. Das ist schon sehr einprägsam“, sagt Dulischewski.

Das Jugendamt hat noch andere Maßnahmen im Katalog: Wer mit Drogen erwischt wird, muss an einem Anti-Drogen-Kurs teilnehmen, Schläger müssen zum Anti-Aggressions-Training — und Arbeitsstunden leisten. „Das geht bei zehn los und kann bis zu 100 Stunden gehen“, sagt Benz.

Ein besonderes Problem stellen unter 14-Jährige dar, die im vergangenen Jahr immerhin mehr als 60 Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Da sie strafunmündig sind, können sie auch nicht belangt werden. Dafür wird dort das Jugendamt verstärkt aktiv.

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