Hotel am Markt schließt

Nach vier Jahren ist Schluss mit einer Erfolgsstory: Das von Arbeitslosen geführte Haus soll abgerissen werden.

Ratingen. Zwei Jahre waren ursprünglich geplant, jetzt sind es doch vier geworden. Aber in jetzt ist endgültig Schluss: Am 17. Juli schließt das „Hotel am Markt“ seine Pforten — für immer, weil das Haus bald abgerissen werden soll. Für Stephanie Haag und ihre sechs Mitarbeiter geht auch eine Erfolgsgeschichte zu Ende, die niemand so vorhersehen konnte. Nach der Pleite des alten „Hotel Altenkamp“ hatten Diakonie und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) das Haus übernommen, um es als Qualifizierungsprojekt für Langzeitarbeitslose weiterzuführen — das gab es so nur in Ratingen. Die Alternative wäre Leerstand gewesen.

22 Mitarbeiter wurden im Laufe der Jahre ausgebildet und weiterqualifiziert, 14 in feste Stellen vermittelt, zieht Stephanie Haag eine positive Bilanz. Die Diplom-Sozialpädagogin hatte ursprünglich im Hotelgewerbe gelernt und war für die Leitung des Zwei-Sterne-Garni-Hotels „ein echter Glücksgriff“, wie es damals Erhard Raßloff, Leiter des Sozialamts, formuliert hatte. Er hatte seinerzeit auch die Idee gehabt, das Hotel auf diese Art weiterzuführen — und war dafür von vielen belächelt worden.

Ursprünglich sollte nach zwei Jahren Schluss sein. Da sich das Neubauprojekt „Markt 17-20“ aber verzögerte, lief das Hotel immer wieder weiter. In Messezeiten war es sogar ausgebucht, schrieb schwarze Zahlen.

Die Hotelgäste haben von der ungewöhnlichen Geschäftskonstruktion nichts gemerkt. Die meisten liebten den nostalgischen Charme des Hauses aus den 1970er-Jahren — und kamen immer wieder. „Wir hatten sehr viele Stammgäste, auch aus dem Ausland“, erzählt Gabriela Dylus, die seit mehr als drei Jahren dabei ist. Nach zehn Jahren Arbeitslosigkeit war sie ganz unten: „Depressiv, null Selbstbewusstsein“.

Damals hätte sie nicht einmal zu träumen gewagt, dass sie schon bald Hotelgäste ein- und aus-checkt, Buchungen verwaltet, auf Englisch und Französisch mit den Gästen telefoniert, aber auch Frühstück vorbereitet und serviert, Betten macht und Zimmer säubert. „Jeder macht hier jedes“, erklärt sie das Konzept. Die 52-Jährige hat mit der Arbeit im Hotel wieder „Boden unter die Füße bekommen“.

Zurück ins Leben hat auch Josef Baust (59) mit dem Projekt gefunden. Nach Trennung und Scheidung war er psychisch und materiell völlig abgestürzt. Durch Zufall bekam er Jahre später die Chance auf eine Stelle im Hotel — und nutzte sie. Er war vom ersten Tag an dabei, war Hausmeister, Mädchen für alles. „Ich hab’ alles gemacht — außer Laken. Das krieg ich einfach nicht hin“, erzählt er von den Schwierigkeiten, ein Hotelbett zu machen. Auch ihm fällt der Abschied vom „Hotel am Markt“ schwer, gleichwohl hat er eine Perspektive: Ab August tritt er eine andere feste Stelle an.

Auch für die anderen Mitarbeiter stehen Jobs in Aussicht. Stundenlang könnten sie Geschichten von ihren Gästen. Wie etwa die Mutter mit Tochter aus Island, die jedes Jahr für zwei Wochen logierten und Sonderwünsche hatten: jeden Tag einen großen Kübel Eis. Es gab aber auch Ratinger als Kunden. Dylus: „Wir hatten ein Pärchen, das vor 26 Jahren seine Hochzeitsnacht hier verbracht hatte, und jetzt vor der Schließung noch einmal für eine Nacht gekommen war. “

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