Eine Glocke wie aus dem Mittelalter
Die neue Brauchtumsglocke für St. Peter und Paul wurde nach einem jahrhundertealten Verfahren geformt und gegossen.
Ratingen. Beim nächsten Karnevalsgottesdienst in St. Peter und Paul am Samstag, 13. Januar, 15 Uhr, steht der Heilige Bimbam im Vordergrund. Unübersehbar. Dann nämlich hofft Pfarrer Daniel Schilling, „seine“ Brauchtumsglocke vorstellen zu können. Die Sebastianus-Glocke wurde vor wenigen Tagen in der Glockengießerei Gescher gegossen. Sie soll den übrigen Glocken künftig wohlklingende Gesellschaft leisten. Darunter ist auch die Maria, genannt „Märch, “ aus dem Jahre 1498. Die fast vier Tonnen schwere „Märch“ wurde seinerzeit von den den Glockengießern Johann und Jakob van Venlo vermutlich direkt vor der Kirche gegossen — Transportmöglichkeiten für derart große Glocken gab es damals nicht.
So gingen auch die meisten Glockengießer auf Wanderschaft, schufen ihre Werke direkt vor Ort. Drei dieser „wandernden“ Glockengießerfamilien im 17. Jahrhundert, die übrigens auch gerne Kanonen herstellten, waren die Hemonys, Julliens und Petits. So blickt die Petit & Gebr. Edelbrock, Glocken- und Kunstgussmanufaktur in Gescher auf eine weit über 300-jährige Tradition zurück.
Das erfuhren Spender, Interessierte und Vertreter des Ratinger Brauchtums bei einer Führung durch die Gießerei. Sie wollten beim Gießen dabei sein, blieben jedoch im Stau stecken. Immerhin waren unter anderem Bürgermeister Klaus Pesch, Brauchtumswirt Heinz Hülshoff und Johannes Paas rechtzeitig gekommen.
Die Gießerei ist immer noch ein Familienbetrieb mit aktuell „zwei schmutzigen Dutzend“ Mitarbeitern, wie Ellen Hüesker mit schmunzelndem Blick auf die völlig verstaubten Schuhe sagte. Gegossen wird dort, in der nördlichsten Glockengießerei Deutschlands, nach dem traditionellen Lehmformverfahren. Zu Beginn steht die sogenannte „Rippe“: „Der Glockengießer errechnet nach Ton, Durchmesser und Gewicht die ,Rippe’, das Profil der künftigen Glocke. Er zeichnet sie auf ein Buchenbrett, das später als Schablone dienen wird“, so die Glockengießer.
Die Sebastianus-Glocke ist nach der sogenannten französischen Rippe geformt. Und es ist keine dünne, sondern eine „dicke Rippe“, was Daniel Schilling besonders gefällt: „Wenn schon, denn schon.“ Immerhin muss sich der „Heilige Bimbam“, wie die Karnevalisten sie bereits nennen, hoch oben im Turm gegen sieben andere Kollegen durchsetzen.