Peer Steinbrück: Hoffnungsträger mit gesperrter Kreditkarte

Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat der SPD, machte am Sonntag Wahlkampf vor Ort — und gab sich bewusst privat.

Kreis Mettmann. Ein Summen erfüllt den Saal des Schwarzwaldhauses in Mettmann. Zahlreiche Gäste sind zum Neujahresempfang der SPD Erkrath erschienen, und die meisten von ihnen warten vor allem auf einen: Gastredner Peer Steinbrück. Schon bevor er ankommt, unterhalten sie sich über den Hoffnungsträger der Sozialdemokraten.

Steinbrücks Terminkalender ist voll, aber an den Neujahrsempfängen in seinem Wahlkreis kommt er nicht vorbei. In Zeiten, in denen die CDU bei Umfragen klar in Führung liegt, zählt jede Stimme. „Ich bin wirklich neugierig, wie der sich in echt so gibt“, sagt Sonja Schwaigart. „Natürlich gab es in letzter Zeit viel negative Presse — aber es ist ja auch immer eine Frage, wie viel davon stimmt.“

Fast pünktlich betritt der Hoffnungsträger das Schwarzwaldhaus. Spontaner Applaus, Handys und Fotoapparate werden gezückt. Lediglich das Personal wurde wohl nicht informiert. „Tschuldigung — können Sie mir sagen, wer der Mann ist, der da so oft fotografiert wird?“, fragt eine Kellnerin den Sicherheitsmann vom BKA. Der bewahrt Haltung und gibt höflich Auskunft.

Nun ergreift Peer Steinbrück das Wort. Launig erzählt er davon, dass am Sonntag plötzlich seine Geldbörse mitsamt Papieren, Kreditkarte, Bargeld und Videokarte verschwunden war. „Ich habe den halben Abend telefoniert, alles sperren lassen. Ich hatte eine schreckliche Nacht. Und heute Morgen greife ich in meinen Kleiderschrank — und finde mein Portemonnaie. Wissen Sie, gegen die vergangene Nacht waren die letzten sechs Wochen die reine Sommerfrische.“ Die Zuschauer lachen.

Locker und humorvoll schwört er seine Zuhörer auf die kommenden Wahlen ein und erntet viele Sympathiepunkte. Barbara Hoffmann-Haas: „Ich finde es schon interessant, ihn jetzt mal live zu erleben. Dass er auch hier, auf so kleinen Veranstaltungen auftritt, macht ihn sehr sympathisch — und er wirkt auch viel freundlicher. Im Fernsehen kommt er immer arg abweisend und distanziert rüber. Die Mundwinkel zeigen immer nach unten.“

Steinbrück hat unterdessen seine Rede beendet. Auf die negative Ausstrahlung in der Öffentlichkeit angesprochen, rollt er leicht mit den Augen. „Meine Mundwinkel sind kein Gradmesser für meine Verfassung“, sagt er und lacht. „Ich bin ein Mensch mit Ecken und Kanten.“

Bald muss er weiter zum nächsten Termin — zur SPD Haan. Deutlich rustikaler bei Bier und Grünkohl statt Sekt und Häppchen warten auch dort alle gespannt auf den Stargast. Tanja Grünert: „Ich finde es super, dass er so bodenständig geblieben ist.“

Peer Steinbrück selbst sagt dazu: „Ich weiß, wie es ist, wenig Geld zu haben. Ich war selbst in der Situation — ich war selbst mal arbeitslos. Politiker leben viel weniger abgehoben, als viele glauben: Ich gehe einkaufen, mit meinem weißen Hollandrad, ich nutze öffentliche Verkehrsmittel. Ich habe den Bezug zur Basis nicht verloren.“

Und während Peer Steinbrück sich aufmacht zum nächsten Termin, diesmal bei der Awo in Mettmann, murmelt ein Mann im Publikum: „Gott sei Dank!“ Wofür auch immer.

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