Nur weil sie ausreisen wollte Sie überlebte fünf Jahre in DDR-Zuchthaus

Mettmann. · Regina Labahn berichtete beim Bürgerverein Metzkausen über tägliche Schikane.

Regina Labahn hatte einen Ausreiseantrag in der DDR gestellt und landete dafür im Frauenzuchthaus Hoheneck.

Regina Labahn hatte einen Ausreiseantrag in der DDR gestellt und landete dafür im Frauenzuchthaus Hoheneck.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Geschichte ist vielleicht nicht immer spannend, wenn aber Zeitzeugen zu Worte kommen, wird Geschichte zum Erlebnis. So auch bei der Einladung des Bürgervereins Metzkausen an Regina Labahn, die als politisch Verfolgte in der DDR fünf Jahre unter anderem im Frauenzuchthaus Hoheneck bei Stollberg/Erzgebirge überleben musste. Ihr „Verbrechen“ war, dass sie mit ihrem Mann für die Familie einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Das war 1980. Es folgten Jahre der Verfolgung und Schikane. Die Kinder wurden ihnen genommen und in Heime gesteckt. Die Staatssicherheit erhoffte sich ein Druckmittel, dass die Eheleute den Ausreiseantrag zurückziehen, denn solche durften ja nicht publik werden.

Sie fuhren nach Ostberlin zur Ständigen Vertretung – da die Bundesrepublik die DDR rechtlich nicht anerkannt hatte, war dies ein politischer Umweg, keine Botschaft errichten zu müssen und trotzdem diplomatische Arbeit leisten zu können. Manfred Stolpe, der spätere Ministerpräsident von Brandenburg, riet den beiden, einen Antrag auf Staatenlosigkeit in der DDR zu stellen. Wohl kein guter Rat, denn die Labahns wurden verhaftet, und Gregor Gysi verweigerte anwaltliche Hilfe. Eigentlich beginnt hier die grauenvolle Geschichte der Regina Labahn, Sie wurde ins Frauenzuchthaus Hoheneck gebracht, in eine Zelle mit 36 Frauen, von denen 34 Mörderinnen waren. Aber offiziell gab es keine Mörderinnen.

Aufseherinnen ließen sich perfide Strafen für die Insassen einfallen

Auf engstem Raum, bei dürftigster Verpflegung (mal Kohl mit Kartoffeln, mal Kartoffeln mit Kohl, gelegentlich Milchreis, aber der „lebte“), Kälte und perfiden Strafen der Aufseherinnen. Gewalt, Eifersucht, Grausamkeit. Woher nahm eine Frau wie Regina Labahn die Kraft, dieses Grauen zu überleben? Ihr Ziel war der Westen, sie hielt sich an das Motto „Was mich nicht umbringt, macht mich stark“. Schikanen wie den Verboten von Besuchen und Briefkontakten entgegnete sie trotzig: „Ich steh’ das alleine durch.“ Ihr Mann saß in Cottbus ein. Auch wenn sie hin und wieder die Arbeitsnorm nicht erfüllte (sie fertigte in einer Fabrik Strumpfhosen, die bei namhaften Discountern im Westen billig angeboten wurden), bot sie solchen Strafen die Stirn.

Heute beklagt sie, dass den tausenden von Frauen nach der Wiedervereinigung keine psychologische Hilfe angeboten wurde, dass die Haftfolgeschäden nicht anerkannt wurden, Ärzte nur Medikamente verschrieben, die zum Teil direkt in Suchtkliniken führten. Sie ist wütend, dass Typen wie Margot Honnecker, verantwortlich für Zwangsadoptionen, eine dicke Rente nach Chile überwiesen wurde, Schalk-Golodkowski am Tegernsee fürstlich residieren konnte und dass eine „Erzieherin“ im Zuchthaus später Frauenbeauftragte der Landesregierung Sachsen wurde.

Verzerrtes Lächeln auf die Frage: Aber es war doch vieles gut in der DDR? „Ja, sehr ähnlich wie im Dritten Reich. Es gab keine Arbeitslosen, Frauen wurden nicht vergewaltigt... ein ewiger Kanon, den wir leider allzu gut kennen.“ Dank dieser immer noch tatkräftigen Zeugin, Regina Labahn, wird dem Vergessen ein wenig Einhalt geboten.

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