Umzug von Luxus-Bleibe in Zelle

Ein Hartz IV- Empfänger klagte, um in einer Wohnung mit 140 Quadratmetern bleiben zu können. Jetzt sitzt er im Gefängnis.

Umzug von Luxus-Bleibe in Zelle
Foto: Evers

Herbert H. (Name geändert) lebt zurzeit ungewohnt beschränkt. Mehr als drei Jahr lang ließ sich der alleinstehende Hildener von den Sozialbehörden eine 140 Quadratmeter Wohnung mit Schwimmbad, Sauna und Garage (Kosten: 1320 Euro) bezahlen — alles ganz legal. Jetzt logiert er auf 12 bis 14 Quadratmetern — in einer Zelle.

Warum und wie lange er einsitzt, ist unklar. Von den Sozialbehörden ist nichts Näheres zu erfahren: Datenschutz. Personenbezogene Daten sind hierzulande in der Tat besonders geschützt. Die Behörden fürchten offenbar aber auch, von dem prozessfreudigen Stützebezieher vor Gericht gezerrt zu werden.

Der Mann kennt sich in unserem Sozial- und Rechtssystem zweifellos gut aus. Gegen die fristlose Kündigung seines Vermieters 2013 (H. hatte die von den Sozialbehörden überwiesene Miete nicht weitergeleitet) zog der Hildener vor Gericht — bis nach Karlsruhe in die letzte Instanz, den Bundesgerichtshof.

Die obersten Richter befanden: Die fristlose Kündigung ist rechtens — und verwarfen auch die Revision.

Die Zwangsräumung seiner Wohnung ist für Mai anberaumt. So lange H. inhaftiert ist, müssen die Sozialbehörden keine Sozialhilfe zahlen. Einem alleinstehenden Hilfeempfänger stehen rund 50 Quadratmeter Wohnfläche zu.

Deshalb weigerten sich sowohl das Jobcenter Mettmann als auch das Sozialamt Hilden, die mit 140 Quadratmetern völlig überdimensionierte Bleibe des Hildeners zu finanzieren. H. verklagte beide Behörden — und bekam vor dem Sozialgericht Düsseldorf (Klagen sind dort kostenfrei) recht. Warum?

Die genaue Begründung könne sie nicht nennen, erläutert Richterin Dr. Angelika Preisigke, Sprecherin des Sozialgerichts Düsseldorf — Datenschutz.

Grundsätzlich seien 50 Quadratmeter Wohnfläche für Alleinstehende angemessen. Es gebe aber auch den Fall, das jemand „nicht umzugsfähig“ sei. Dies müsse ärztlich festgestellt und von einem Amtsarzt überprüft werden.

Mit anderen Worten: Offenbar hatte der Hildener mit der Riesenwohnung ein ärztliches Attest, das ihn vor einem Umzug bewahrte — und dies mehr als drei Jahre lang.

Ohne die Klage des privaten Vermieters säße H. wohl immer noch in seiner Riesenwohnung — und die Sozialbehörden müssten weiter zahlen. Publik wurde der „Ausnahmefall“ (wie die Sozialbehörden nicht müde werden zu betonen) übrigens durch Herbert H. selbst. Weil er sich durch alle Instanzen klagte und die Gerichte beschäftigte, wurden mit jedem Urteil immer mehr Einzelheiten des skandalösen Falls bekannt.

Kurios auch: Die obersten Richter des Bundesgerichtshofes hatten gar nicht über die angemessene Größe der Wohnung zu befinden, sondern nur über die Zulässigkeit der Räumungsklage.

Dass ein Stützebezieher allein auf 140 Quadratmetern mit Pool und Garage logiert, war auch Prozessbeteiligten wie Professor Dr. Ekkehart Reichelt (Anwalt des Vermieters) aufgefallen: „Das ist schon ein Witz.“

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