Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen Sorgen wegen häuslicher Gewalt

Mettmann/Erkrath. · Bis zum 15. Oktober zählte der SKFM 72 Fälle in Mettmann, kreisweit 845. Opferschutz-Experten fordern Zivilcourage.

 Eva-Maria Düring leitet die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt des Mettmann SKFM.

Eva-Maria Düring leitet die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt des Mettmann SKFM.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Frauen im Kreis Mettmann sind von häuslicher Gewalt betroffen: 72 Fälle in Mettmann und 68 in Erkrath zählte der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM) in diesem Jahr bis zum Stichtag 15. Oktober. Kreisweit kommt der Verein auf 845 Fälle. Die Polizei hat einen vorläufigen Monatsschnitt von 100 Fällen für den gesamten Kreis berechnet. Zahlen für die einzelnen Städte sind in der Polizeistatistik nicht erfasst. Aber: „Häusliche Gewalt kommt definitiv in jeder Stadt im Kreis vor – in Mettmann genauso wie im beschaulichen Wülfrath“, sagt Christoph Vosswinkel vom Opferschutz der Kreispolizei Mettmann. Das Dunkelfeld schätzt sowohl die Polizei als auch der SKFM deutlich höher ein – vor allem in diesem Jahr.

Denn seit Ausbruch der Corona-Pandemie leben viele Paare und Familien auf engerem Raum zusammen, haben tendenziell mehr Ängste und Sorgen und gleichzeitig weniger Möglichkeiten, diese mit anderen Menschen zu teilen oder in der Freizeit zu verarbeiten. „Dadurch steigt das Konfliktpotenzial erheblich und ich bin der festen Überzeugung, dass hinter den geschlossenen Türen viel Gewalt passiert“, sagt Eva-Maria Düring, die sowohl das Frauenhaus als auch die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt des SKFM leitet.

Häusliche Gewalt spielt sich in den meisten Fällen zwischen Partnern oder Ex-Partnern ab, teilweise sind auch Kinder oder im Haushalt lebende weitere Familienangehörige mit eingebunden. 80 Prozent der Opfer sind Frauen, berichtet Kriminalhauptkommissar Vosswinkel und konkretisiert die Taten: „Oft fängt es bei Herabwürdigungen und fehlender Wertschätzung an. Dann geht die Gewalt über in Bedrohungen und Beleidigungen bis hin zu Körperverletzungen, sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen – und reicht bis zum Tötungsdelikt.“ Letzterer sei kein seltener Einzelfall, betont der Polizeibeamte. „Tötungsdelikte, dazu zählt auch die versuchte Tötung, sind überwiegend Beziehungstaten.“

Polizei und Beratungsstelle kooperieren eng

Während bei dem Opferschutz-Beamten größtenteils die Fälle landen, in denen es bereits einen Polizeieinsatz gegeben hat, suchen die Beratungsstelle des SKFM auch Gewaltopfer auf, in deren Fall die Polizei noch nicht eingeschaltet ist. Die beiden Stellen kooperieren seit Jahren, und beide sind sich sicher, dass sich das Dunkelfeld von häuslicher Gewalt durch die Corona-Pandemie verstärkt hat. „Durch das engere Zusammensein haben viele Frauen gar nicht die Möglichkeit, uns anzurufen – sie stehen oft unter permanenter Beobachtung des Täters“, berichtet Düring.

Das erklärt, warum es bislang keinen eklatanten Anstieg der Fallzahlen gibt: Der Monatsmittelwert von 100 Fällen der Kreispolizei ist laut einem Sprecher nahezu identisch mit dem Wert aus 2019, und auch beim Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM) Mettmann bedeuten die bislang gezählten Fälle nur eine leichte Steigerung zum Vorjahr (1024 Fälle).

Für Eva-Maria Düring ist das eine Rückwärtsbewegung, denn das ohnehin höchst schambesetzte Thema verlagere sich durch Corona wieder mehr zurück ins Private. „Wir sind dazu aufgefordert, soziale Kontakte zu vermeiden – für Gewaltopfer bedeutet das, dass die Chance, sich jemandem anzuvertrauen oder auf blaue Flecken angesprochen zu werden, extrem schrumpft.“

Umso wichtiger sei es jetzt, sowohl im privaten Umfeld als auch in der eigenen Nachbarschaft aufmerksam zu sein und bei Lärm, sozialem Rückzug von Freunden oder Familienangehörigen oder äußeren Merkmalen von Gewaltanwendung nicht wegzuschauen, sondern zu handeln. „Weil häusliche Gewalt so ein Tabuthema ist, sind wir dafür nicht genügend sensibilisiert“, sagt Düring. „De facto ist jede dritte Frau in Deutschland von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen – überlegen Sie sich mal, wie viele Frauen Sie kennen.“

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