Pandemie im Kreis Mettmann Wieder Kritik am Kreisgesundheitsamt

Kreis Mettmann · Organisation und Struktur werden zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten aus dem Kreis der Mitarbeiter angegangen. Die Verantwortlichen weisen die Vorwürfe zurück. Erfahrungen von Familien stützen jedoch die Kritik.

 Auch Kreisgesundheitsdezernent Marcus Kowalczyk weist die anonym geäußerten Vorwürfe aus der Mitarbeiterschaft zurück.

Auch Kreisgesundheitsdezernent Marcus Kowalczyk weist die anonym geäußerten Vorwürfe aus der Mitarbeiterschaft zurück.

Foto: "Köhlen, Stephan (teph)"/Köhlen, Stephan (teph)

(dne) Erneut steht die Corona-Arbeit des Kreisgesundheitsamtes Mettmann heftig in der Kritik. Zum einen arbeitet man dort zur Zeit nur mit 30 bis 40 Prozent der Belegschaft. Die übrigen Mitarbeiter befänden sich im Urlaub oder glichen Überstunden aus, teilte eine Sprecherin des Kreises auf Nachfrage mit. Sie bestätigte damit, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vermutet hatte: Weil die Gesundheitsämter in Feiertagsruhe seien, stimme die Corona-Inzidenzzahl in Deutschland nicht und sei in Wirklichkeit mindestens zwei- bis drei Mal höher, so Lauterbach. Die nach Meinung aller Experten bevorstehende Omikron-Welle hat in der Kreisverwaltung offenbar keine Urlaubssperre ausgelöst.

Doch damit nicht genug: Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten hat ein anonymer Hilferuf aus der Mitarbeiterschaft des Kreisgesundheitsamtes die Medien erreicht. Massiv werden in dem Schreiben Strukturen und Organisation bei der Nachverfolgung von Corona-Erkrankungen im Kreis Mettmann kritisiert. Die Vorwürfe sind zahlreich: Die Pflicht zum Homeoffice werde im Kreisgesundheitsamt nicht eingehalten. Die IT-Anbindung von Heimarbeitsplätzen funktioniere nicht. Originalzitat: „Gerne würden wir Mitarbeiter den Menschen viel intensiver helfen und schneller bearbeiten, aber durch die merkwürdigen Strukturen ist das nicht möglich.“

Mehr noch: Zwar unterstütze seit einigen Tagen erneut die Bundeswehr die Arbeit im Kreisgesundheits. Doch die Soldaten würden alle zwei Wochen ausgetauscht, ihre Einarbeitungszeit sei viel zu kurz. Der oder die Whistleblowerin mit dem Wunsch, anonym zu bleiben, verfügt offenbar über Insiderwissen.

Kreisgesundheitsamts-Chefin weist die Vorwürfe zurück

Das geht auch aus der Reaktion des für Gesundheit zuständigen Kreisdezernenten Macus Kowalczyk und der Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, Ruzica Susenburger, hervor. Generell wiesen beide die anonym geäußerten Vorwürfe zurück. Zugleich wurden Einzelpunkte bestätigt.

So etwa beim Thema Homeoffice. Im Gesundheitsamt sei es wichtig, „viele Kolleginnen und Kollegen vor Ort im Einsatz zu haben“. Man müsse auf sich oft stündlich verändernde Situationen „adäquat und umgehend reagieren können“. Zur Sicherheit der Mitarbeiter sei die Corona-Abteilung in ein eigenes Gebäude in Wülfrath ausgegliedert worden. Dort gebe es separate Hygienezonen und genug Abstand, so dass sich die Teams ohne Kontakt zu anderen frei bewegen könnten. Unterm Strich aber bestätigt die Stellungnahme den überwiegenden Verzicht auf Arbeit im Homeoffice.

Ähnlich sieht es bei dem Vorwurf aus, die Soldaten würden zu rasch ausgetauscht. Der Zwei-Wochen-Turnus wird bestätigt. Allerdings „bleibt ein Kern als Multiplikator erhalten und schult den nächsten Trupp“. Wörtlich heißt es weiter: „Auf die Strukturen und den damit verbundenen Einsatz der Bundeswehr in den Gesundheitsämtern hat der Kreis keinen Einfluss“.

Verantwortliche: Das Amt
sei „klar strukturiert“

Das Kreisgesundheitsamt ist nach Meinung der Verantwortlichen „klar strukturiert“. Es gebe tägliche Online-Besprechungen und ein Logbuch mit Organigramm, Struktur, Rechtsgrundlagen, Dienstplänen und Verfahrensanweisungen. Jeder Mitarbeiter sei verpflichtet, dieses Logbuch täglich durchzusehen. Jeden Freitag gebe ein ein zusätzliches Update mit allen „relevanten Themen der Woche“. Fragen könnten an die Führungskräfte der Teams gestellt werden – teilen Kowalczyk und Susenburger mit.

In Erkrath gibt es eine Familie, die über solche Auskünfte der Kreisverwaltung nur die Köpfe schütteln kann. Anfang Dezember fühlte sich Familie P. vom Corona-Team des Kreisgesundheitsamtes massiv allein gelassen. Vater, Mutter und zwei Kinder durchlebten die schwerste Krise ihrer Familiengeschichte. Am 4. Dezember wurde der Sohn in einer dritten Klasse der Grundschule an der Falkenstraße zunächst im Pool-Test, dann im Einzel-PCR-Test positiv auf Corona getestet. Doch auf zahlreiche Mails und Anrufe habe das Kreisgesundheitsamt überhaupt nicht reagiert. Die Familie begab sich freiwillig in eine Quarantäne, um andere zu schützen. Kurz vor Weihnachten und nach kritischen öffentlichen Berichten bekam der Sohn eine Genesenenbescheinigung. Aber nur einen Tag später erhielten die Eltern vom Kreisgesundheitsamt die Aufforderung, sämtliche Kontaktpersonen zu benennen. Als man das bei der Hotline hinterfragte, wurde eine Geldbuße für den Fall angedroht, dass die Erklärung nicht binnen 24 Stunden vorliege. Erst nach erneuter medialer Intervention wurde der Vorgang zurückgezogen. Denn laut offizieller Mitteilung beschäftigt sich der Kreis Mettmann seit Anfang Dezember nicht mehr mit der Kontaktverfolgung. Es waren einfach zu viele.

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