Mettmann Sensationsfund beeinflusst Museum

Mettmann · Die Direktorin des Neanderthal Museums, Bärbel Auffermann, spricht darüber, warum das Ereignis in Äthiopien Folgen für die Ausstellung hat.

 Bärbel Auffermann arbeitet seit Beginn dieses Jahres als Direktorin im Neanderthal Museum Mettmann.

Bärbel Auffermann arbeitet seit Beginn dieses Jahres als Direktorin im Neanderthal Museum Mettmann.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Eine Entdeckung in Äthiopien hat im vergangenen Monat die Fachwelt elektrisiert: Ein vier Millionen Jahre alter Schädel legt den Schluss nahe, dass die Art dieses Menschen länger existiert hat als bisher angenommen. Bärbel Auffermann erklärt, wie die aktuellen Forschungsergebnisse die Erkenntnisse zur menschlichen Abstammungsgeschichte verändern und welchen direkten Einfluss sie auf die Museumsausstellung haben. Die promovierte Archäologin ist seit Anfang des Jahres Direktorin des Neanderthal Museums.

Frau Auffermann, seit wann erforschen Wissenschaftler die Abstammung des Menschen?

Bärbel Auffermann: Tatsächlich ist der Ausgangspunkt die Paläontologie hier im Neandertal. Der Fund des Skeletts 1856 zeigte auf, dass der Mensch andersartige Vorfahren hat. Es war ein glücklicher Zufall, dass sich der Forscher Johann Carl Fuhlrott für die im Kalksteinbruch gefundene Knochenteile interessierte und sie richtig einzuschätzen wusste. Nur so wurde der Fund zum Kronzeugen der menschlichen Evolution.

Jetzt, mehr als 150 Jahre später, haben wir ein gutes Bild der menschlichen Stammesgeschichte. Neue Erkenntnisse gewinnen Wissenschaftler aber noch heute – woran liegt das?

Auffermann: Zum einen finden nach wie vor Ausgrabungen und somit neue Funde statt. Zum anderen entwickeln sich die Forschungsmethoden immer weiter. Dadurch werden aus alten Funden neue Erkenntnisse gewonnen. Besonders die Fortschritte der Paläogenetik im letzten Jahrzehnt sind unfassbar: Mit neuesten Methoden wird aus Jahrtausende alten Knochen eine DNA-Sequenz bestimmt, es werden also Teile der Erbinformation gewonnen. Damit stellen die Forscher Vergleiche an, die Artverwandtschaften nachweisen können.

Haben diese neuen Erkenntnisse auch direkten Einfluss auf die Ausstellung?

Auffermann: Natürlich. Wir spiegeln stets den aktuellen Stand der Forschung wieder – das ist eine Frage von authentischer Vermittlung und Glaubwürdigkeit. Das bedarf natürlich einer gründlichen Recherche. Deshalb gehen unsere Mitarbeiter auf Tagungen, lesen die aktuellsten Fachzeitschriften und tauschen sich mit den Forschern aus.

Wie muss man sich das denn vorstellen? Was passiert, wenn Ergebnisse wie im aktuellen Fall die Faktenlage verändern?

Auffermann: Dann passen wir die Ausstellung dem neuesten Kenntnisstand an. Ein großer Umbruch war der Umbau 2016. Neue Forschungserkenntnisse über bisher unbekannte Gattungen des Menschen verdeutlichten, wie verzweigt der Prozess der menschlichen Entwicklung war. Deshalb änderten wir den linearen Verlauf des Einführungsbereiches und installierten zum Beispiel den großen Stammbusch.

Gilt das auch bei unbedeutend scheinenden Funden, zum Beispiel einer Jahreszahl, die sich ändert?

Auffermann: Die Ausstellung wird laufend inhaltlich aktualisiert. Wenn ein Besucher hier eine Jahreszahl liest, dann soll die auch stimmen. Auch da kann der Stammbusch als Beispiel herhalten: Kurz nach der Fertigstellung wurde der Fund des ältesten Homo sapiens sapiens aus Marokko neu datiert und wir mussten die Jahreszahl direkt wieder anpassen. Vorher haben wir natürlich die Quelle gründlich geprüft.

Finden auch aktuell Veränderungen in der Ausstellung statt?

Auffermann: Ja, im Augenblick lassen wir einige Grafiken anpassen. Zum Beispiel belegen neue Studien, dass der Lebensraum der Denisova-Menschen bis nach Südostasien reichte und die zeitliche Tiefe bedeutend größer ist als angenommen. Das stellt unsere Karte in der Dauerausstellung bald auch so dar.

Und was ist, wenn gar neue Menschenarten entdeckt werden, wie zuletzt im April dieses Jahres mit dem Homo luzonensis?

Auffermann: Dann nehmen wir auch die in unseren Stammbusch auf. Dem Besucher muss klar sein, dass der Busch wahrscheinlich nicht vollständig ist – er ist darauf ausgelegt, erweitert zu werden. So wurde 2016 bereits der Schädelguss eines Homo naledi ergänzt. Weitere Schädel und damit Menschenarten können durchaus noch folgen.

Auch die Geschichte des Neandertalers ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Wo besteht bei diesem Thema noch der größte Forschungsbedarf?

Auffermann: Die spannendste ungeklärte Frage ist die des Aussterbens. Die Theorie, der wir anhängen und die wir darstellen, ist die des Klimaopfers. 20 000 bis 60 000 Jahren vor unserer
Zeit war das Klima immer wieder ungemütlich: Kalt und trocken. Die Neandertaler zogen sich auf die Iberische Halbinsel zurück, es kam zu einer Flaschenhalssituation und die Art starb allmählich aus. Interessant ist aber zum Beispiel die Frage, ob die Neandertaler, wie der Homo sapiens, auch nach Osten gewandert sind und wie lange sie dort überlebt haben. Ein aktuelles Forschungsprojekt bei uns beschäftigt sich mit eben dieser Frage und im speziellen mit dem Südkaspischen Korridor als Ausbreitungsweg. Mit diesem Projekt hoffen wir, Licht in eine bisher nicht aufgeklärte Fragestellung zu bringen.

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