Hochdahl: 184 Seiten gegen das Vergessen

Die Studentin Ulla Backhaus hat im Auftrag der Stadt ein Buch über Hochdahl zur Zeit der Nationalsozialisten geschrieben.

Hochdahl. Thomas Brzostowicz hat ein Verhältnis mit Anna. Sie treffen sich im Frühsommer auf einem Hochdahler Feld, sie bringt ihm Frühstück zur Arbeit. Die Liebschaft dauert nicht lange, nur eine Freundin erfährt davon - doch sie endet für den 29-jährigen Landarbeiter mit dem Tod.

Denn im März 1941 wird er von der Gestapo der SS zur "Feststellung der Rassenzugehörigkeit" vorgeführt. Dort wird er gemustert. Die Bewertung fällt vernichtend aus: "Brzostowicz macht einen ungünstigen Gesamteindruck und steht weit unter dem rassischen Gesamtdurchschnitt", heißt es im Prüfungsformular. Kinder von ihm und der Deutschen Anna seien "unerwünscht". Er "kommt für Eindeutschungszwecke nicht in Betracht". Im Juni 1941 entscheidet SS-Reichsführer Heinrich Himmler, dass Brzostowicz zu hängen sei. Der gebürtige Pole stirbt noch im selben Monat.

"Das hat mich sehr berührt. Im Düsseldorfer Hauptstaatsarchiv habe ich Einsicht in viele Gestapo-Akten nehmen können - beinahe zu viele", erzählt Ulla Backhaus. Die 29-jährige Düsseldorferin hat im Rahmen ihres Lehramtstudiums in Geschichte und Englisch an der Heinrich-Heine-Universität ihre Examensarbeit über "Hochdahl in der Zeit des Nationalsozialismus" geschrieben. Stadtarchivarin Erika Stubenhöfer hat den Text mit Abbildungen ergänzt und kommentiert. Ab sofort ist das 184 Seiten starke Werk im Erkrather Buchhandel zu kaufen.

"Ich habe 2006 mit der Arbeit begonnen. Zunächst habe ich mir anhand von alten Verwaltungs- und Polizeiberichten einen Überblick verschafft und darauf meine Arbeit aufgebaut. Insgesamt habe ich vier Monate gebraucht, um den Quellenbestand zusammenzutragen." 2007 konnte sie den ersten Entwurf dem Ausschuss für Schule, Kultur und Sport vorstellen und wenige Monate später an die Stadt Erkrath übergeben.

"Dann habe ich die Arbeit durch Biografien ergänzt, bevor die redaktionelle Bearbeitung und die Bebilderung anstanden", erklärt Backhaus. In den Text steigt sie mit einer Übersicht in die Gliederung der Gemeinde ein. "Es war so ländlich und verworren damals", sagt sie. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten und der Einfluss der Ideologie sind weitere Kapitel. "So wurde das erste Neandertal-Museum, das 1937 eröffnet wurde, geschlossen, weil es nicht der Ideologie entsprach", so Backhaus, deren Forschungsergebnisse bis zur Entnazifizierung und der ersten Gemeinderatswahl reichen.

"Mit diesem neuen Buch, dem bestehenden über Alt-Erkrath, den Stolpersteinen und dem Mahnmal im Bavierpark haben wir die Zeit des Nationalsozialismus in unserer Stadt umfassend offengelegt", zeigt sich Erika Stubenhöfer zufrieden.

Mit ihrem Buch war die angehende Lehrerin Backhaus bereits in beiden Erkrather Gymnasien zu Gast: "An lokalen Beispielen festgemacht, ist Geschichte greifbarer."

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