Haus Stöcker

Haus Stöcker war beliebt

Viele Mettmanner fuhren am Wochenende nach Hahnenfurth und verlebten schöne Stunden im Gasthof und im großen Wintergarten.

Von Sabine Maguire

mettmann/Hahnenfurth Wer in Zeiten wie diesen nach Wuppertal-Hahnenfurth reist, wähnt sich in der Diaspora. Von Mettmann aus wegen der B7-Straßensperrung nur auf Umwegen zu erreichen und so ruhig, das sich Fuchs und Hase endlich wieder ungestört gute Nacht sagen können. Wenige Autos, noch weniger Radler und ein paar unverdrossene Herbstwanderer — das war’s dann auch schon.

Dabei gab es im letzten Wuppertaler Zipfel an der Mettmanner Stadtgrenze durchaus schon turbulentere Zeiten. Nicht nur, weil Konrad Heresbach dort in jungen Jahren vom heimischen Gut aus durch Felder und Wiesen wandeln konnte. Sondern auch, weil dort für damalige Verhältnisse wohl so etwas wie Massentourismus herrschte. Hunderte Sonntagsausflügler pilgerten Jahrhunderte nach Heresbach durchs Dörfchen und hatten nur ein Ziel: Das „Haus Stöcker“ in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bahnhof. Der wiederum wurde nur gebaut, um den Ausflüglern vom Mettmanner Stadtwald aus die Anreise zu erleichtern.

„Man erfreut sich an der Landschaft, wenn sie zeigt der Schneeflocken Pracht auf Baum und Strauch. Wenn sie erblüht im zarten Maiengrün, im saftigen Sommerlaub oder wenn der Herbst ihre Blätter golden färbt.“ Nahezu poetisch warb noch eine Festschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens im Jahre 1928 für den Ausflug zum nahegelegenen Landgasthof. Drei Tage wurde damals im Ballsaal das Jubiläum gefeiert. Obwohl: Eigentlich ging dort ständig die sprichwörtliche Post ab. Die Reichen fuhren mit der Kutsche vor — meist nahm man jedoch den Zug zum Bahnhof Dornap-Hahnenfurth oder kehrte nach einem Fußmarsch dort ein.

Auf dem Weg zur Gaststube war Eile geboten, um noch einen der begehrten Plätze im großen Wintergarten zu ergattern. Im Winter wurde die Düssel am Bahndamm aufgestaut und die gegenüberliegenden Wiesen überflutet, so dass man Schlittschuhlaufen konnte. Mit den ersten Sonnenstrahlen lud man zu Pferdeturnieren ein. Die langen Tafeln im Ballsaal wurden eingedeckt und es gab viele Tage, an denen kein Stuhl leer blieb. Die bekanntesten Militärkapellen Deutschlands reisten an, um zum Tanz aufzuspielen. Und wem das alles zu viel Trubel war, der konnte durch den Park flanieren.

„Ich habe dort noch große Feste miterlebt. Wir spielten am Tisch ,Schwarzer Peter’ und aßen bergischen Zuckerzwieback. Am nächsten Tag probierten wir schon mal im Saal die abgestandenen Bierreste aus den noch nicht abgeräumten Gläsern“, erinnert sich Hermann Iseke an längst vergangene Kindertage. Der Seniorchef der Kalkwerke Oetelshofen wohnt noch heute in Sichtweite zum damaligen Landgasthof, in dem nach den „Menk’schen Betonsteinwerken“ noch immer ein Natursteinbetrieb seine Geschäfte betreibt. Über Jahrzehnte hinweg das erste Haus am Platze, blieb das „Haus Stöcker“ von Irrungen und Wirrungen dennoch nicht verschont. Schon der Erste Weltkrieg brachte viele Einquartierungen, zeitweise waren mehr als 200 Menschen im Gasthaus untergebracht. Bahnschutzmannschaften wechselten mit dem Personal von Lazarettzügen ab, so dass dort bis zum Jahre 1918 nahezu ständig Soldatenleben herrschte.

Zur gleichen Zeit waren Gefangene einquartiert, die im nahegelegenen Steinbruch beschäftigt wurden. Während der französischen Besatzung war in Hahnenfurth eine wichtige Zollstation, die nicht nur der Bahnstation, sondern auch dem großen Hause Stöcker viele Unannehmlichkeiten brachte. Zwischenzeitlich wurde das Lokal sogar von den Franzosen für sechs Wochen geschlossen.

Nachdem immer mehr Menschen mit dem Auto unterwegs waren und eine große Schrift an der Hauswand mit „Auto Halt!“ lange vergebens um Einkehr geworben hatte, waren die Tage des beliebten Landgasthofes gezählt. Mit dem Großfeuer in der Lack- und Farbenfabrik Feldmann, die vorübergehend den Saal gemietet hatte, ging die Ära des Hauses Stöcker am 18. August 1949 mit einem gewaltigen Funkenregen zu Ende. Saal und Wintergarten waren dem Feuer zum Opfer gefallen.

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