Haan: Ein Abschied von Freunden

Als Baby wurde Toryaly (13) von Granatsplittern verletzt. In Deutschland wurde er operiert. Nach 15 Monaten in Haan muss er zurück nach Afghanistan.

Haan. 15 Monate lang hat Toryaly Antsar in Haan gelebt. Am Montag muss der 13-Jährige, der gestern seinen Geburtstag gefeiert hat, zurück in sein Heimatland Afghanistan. Der Abschied fällt nicht nur ihm schwer.

Auch seine Mitschüler und natürlich Wiltrud Möltgen-Rübesam werden den sympathischen, netten Jungen mit den guten Deutschkenntnissen vermissen. Anmerken lassen will sich die 43-Jährige den Trennungsschmerz nicht. Aber sie gibt zu, dass es ihr sehr schwer fallen wird, auf Wiedersehen zu sagen.

Toryaly ist das dritte Kind, das Wiltrud Möltgen-Rübesam über den Mülheimer Verein "Kinder brauchen uns" zu sich nimmt. "Vor vier Jahren wurde ich gefragt, ob ich auch ein verletztes Kind aufnehmen würde", sagt sie. Dafür muss sie ein liebevolles Zuhause bieten und die Kinder zu ihren Operationen ins Krankenhaus fahren. Denn der Verein ermöglicht schwer kranken und verletzten Kindern, denen in Afghanistan nicht geholfen werden kann, eine medizinische Behandlung in Deutschland. Für den Aufenthalt der Kinder zahlt der kein Geld. "Aber wo zwei Kinder groß werden, wird auch ein drittes groß", dachte sich die Mutter von zwei Söhnen (18und 16 Jahre alt)

Toryaly wurde als Säugling von Granatsplittern im Gesicht getroffen. Noch heute kann man die Spuren der Kriegsverletzung erkennen, trotz der zahlreichen, auch plastischen, Operationen, die er bereits hinter sich hat. Sein Vater, ein Lehrer, war in Kabul auf den Verein aufmerksam geworden und hatte seinen Sohn, den jüngsten von fünf Geschwistern, dort vorgestellt. Und Toryaly wurde geholfen. "Ich habe am 16.Oktober 2007 den Flieger nach Deutschland genommen", erinnert er sich an seinen ersten Aufbruch nach Deutschland. Siebenmal wurde er am evangelischen Krankenhaus in Bilk operiert. Und er muss noch einmal wiederkommen. "Ende 2010 oder Anfang 2011", sagt er und fügt lächelnd hinzu: "Dann bin ich 15."

Und natürlich will er dann wieder in Haan zur Schule gehen. "Die Hauptschule gefällt mir sehr", sagt er. "Bei uns geht man nur vier bis fünf Stunden am Tag zur Schule, hier viel länger. Das ist gut." Er könne Fußball spiele, raus gehen, Spaß haben. Mathe, Deutsch und Physik sind seine Lieblingsfächer. Und was er später werden will, weiß er auch schon: Arzt. "Wenn ich 20 bin, bin ich hier Professor", hat er den Ärzten im Krankenhaus gesagt.

Doch jetzt muss er zurück in seine Heimat. "Ich werde meine Freunde vermissen. Und auch Herrn Helf", sagt er in Richtung des Hauptschulleiters. Angst vor der Rückkehr hat er nicht. "Kabul ist nicht so gefährlich." "Da bin ich hundertprozentig sicher." In anderen Städten und Dörfern könne aber jederzeit etwas passieren. "Da gehe ich nicht hin." Er freut sich auf seine Eltern. Seine Mutter wird ihm zur Begrüßung sein Lieblingsessen kochen : "Reis mit Frikadellen und Sauce. Hier schmeckt das ganz anders."

Damit er trotz seines langen Aufenthalts fernab der Heimat den Kontakt zu seiner Familie nicht verloren hat, durfte er einmal in der Woche chatten. "Freitags sind die Schulen in Afghanistan geschlossen", sagt Wiltrud Möltgen-Rübesam. "Dann durfte er immer bis 17 Uhr am Computer sitzen - wegen des zweistündigen Zeitunterschieds." Seine Pflegemutter sorgte nicht für den Kontakt zur Heimat, sie sprach auch immer ganz offen über das, was in Toryalys Heimatland passiert. "Wir halten nichts hinterm Berg", sagt sie.

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