Haan: Altenpflege - „Im Heim wäre sie längst tot“

Ambulant vor stationär, das wollen immer mehr Menschen. Auch Reinhart Schwab (84), der seine Frau zu Hause pflegt. Stattdessen nimmt er Hilfe von einem Pflegedienst.

Haan. Eine hinduistische Tonfigur aus Nepal, eine hölzerne Beilage aus dem Grab Tutenchamuns, Porzellan aus China - Zeugnisse einer schönen Vergangenheit des Ehepaars Schwab. Jetzt stehen zwischen den Reisesouvenirs Kartons mit Flüssignahrung, Arzneifläschchen und Verbandszeug. Das ehemalige Arbeitszimmer beherbergt seit einem Jahr das Krankenbett von Gerti Schwab, gepflegt wird sie von ihrem Mann.

Die 83-Jährige ist auf ständige Hilfe angewiesen. "Niemand weiß, wie lange sie noch lebt", sagt ihr Mann. Ein Pflegeheim kommt nicht in Frage. Der 84-Jährige will selbst für seine Frau sorgen. Hilfe holt er sich von einem ambulanten Pflegedienst.

Reinhart Schwab ist 1948 gerade aus der Kriegsgefangenschaft in Ägypten entlassen, als er Gerti heiratet und nach Haan zieht. Er macht sich selbstständig, seine Frau arbeitet als Buchhalterin. Da das Ehepaar kinderlos bleibt, wird das Reisen ihre große Leidenschaft.

Vor etwa zwei Jahren verschlimmern sich die Beschwerden von Gerti Schwab und die Aufenthalte im Krankenhaus werden länger. Acht Krankheiten werden festgestellt, mehrere leichte Schlaganfälle, der schwerste im November 2006. Spazieren gehen oder gemeinsam kochen, ist irgendwann nicht mehr möglich.

"Sie ist nahezu bewegungsunfähig", konstatiert Reinhart Schwab. Besonders kompliziert ist eine tiefe Wunde am Rücken. Die hat Gerti Schwab von ihrem jüngsten Krankenhausaufenthalt, wo sie sich schlicht wund lag.

Reinhart Schwab ist daher misstrauisch. Minutiös notiert er alles in einem schwarzen Büchlein: die Zusamenbrüche, die Namen der Ärzte, die Momente, in denen "Mutterle" Schmerzen hat. Er schreibt auch Zeit und Dosis der Medikamente auf.

Schwester Angela besucht jeden Vormittag die Schwabs, wäscht die Patientin, versorgt die Wunde. Seit 24 Jahren arbeite sie in der Altenpflege, sagt Angela Staub. "Ich habe viel gesehen, und wollte das einfach nicht mehr." Der Vorteil der ambulanten Pflege aus ihrer Sicht: "Wir benehmen uns wie Gäste bei unseren Patienten."

Andreas Beu, Geschäftsführer des Pflegedienstes Theraconcept in Haan, sagt: "Der Trend ist klar: Ambulant vor stationär." Die fünf hauptamtlichen Beschäftigten seien examiniert, hinzu kommen vier Teilzeitkräfte. Gemeinsam betreuen sie 26 Menschen in Haan und Umgebung und sind 24 Stunden rund um die Uhr erreichbar.

Als Ziel hat sich Beu gesetzt, "Nähe und ein Vertrauensverhältnis zu den Patienten" aufzubauen. Auf Landesebene leistet der Landesverband Freie ambulante Krankenpflege NRW die Lobbyarbeit. Verbandssprecherin Jana Wriedt: "Ambulante Pflege ist in den meisten Fällen auch billiger für die Pflegekassen."

An Schwester Angela schätzt Schwab: "Sie schaut nicht ständig auf die Uhr, wenn jemand sagt, er habe nur zwei Minuten zum Frisieren, dann kann er gleich wieder gehen. Dann explodiere ich."

Lobbyarbeit Der Landesverband Freie ambulante Krankenpflege (LFK) NRW vertritt etwa 500 Unternehmen. Der Verband fordert mehr Sach- statt Geldleistungen für Patienten und die Entbindung von der stationären Behandlung für Patienten mit Pflegestufe 1.

Pflegereform Am 1. Juli 2008 steigen die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,25 Prozent. Die Landesregierung will die häusliche Pflege mit höheren Sachleistungen, Pflegestützpunten und mehr Betreuung stärken.

Vor Ort Theraconcept ist der einzige Anbieter ambulanter Pflege in Haan. In Hilden, Monheim und Langenfeld gibt es vier, in Solingen elf. In der Palliativpflege gibt es das Palliativ-Netzwerk Mettmann. hae

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