Erkrath: Die heitere Seite des Todes

Kultur: Das Experiment, eine Lesung zwischen Särgen und Urnen abzuhalten, ist ein Erfolg.

Erkrath. "Viel Spaß und ein langes Leben", wünscht Bestatterin Tamara Pelleter, bevor sie sich vorsichtig an Trauerkerzen vorbei schiebt und wieder Platz nimmt. Für eine sechsreihige Bestuhlung inmitten zahlreicher Särge hatte die 42-Jährige erst kurz zuvor gesorgt.

Denn wo tagsüber in Stille von Verstorbenen Abschied genommen wird, dröhnte am Freitagabend der berühmte Song "Born to be wild" aus einem Lautsprecher und leitete eine Lesung ein, die sich thematisch rund um den Tod drehte.

"Gestatten, Bestatter! Bei uns liegen sie richtig" heißt das Buch von Peter Wilhelm, aus dem Elke Nussbaum zwei Stunden lang vor 30 Gästen erheiternde Geschichten aus dem Leben eines Bestatters las. Voller Anekdoten präsentierte die 67-Jährige das gesellschaftliche Tabuthema, während eine Etage tiefer fünf Verstorbene im Kühlkeller auf ihre Beerdigung warteten.

Die Stimmung in der Trauerhalle allerdings war alles andere als respektlos. Denn die ehemalige Lehrerin räumte einfühlsam, tiefsinnig und lustig mit Vorurteilen auf. Ihre Worte nahmen Berührungsängste mit Toten und vereinten das scheinbar Unvereinbare miteinander.

So las Nußbaum von der Situation eines Bestatters, der seine erste Leiche nie vergisst: "Der Tod ist kalt und manchmal ein bisschen hässlich, aber er ist auch friedlich und erinnert an Tante Frieda." Wenn eine warme Hand die kalte berühre, werde diese weicher und wieder wärmer.

Als Nussbaum von der Beerdigung eines Rockers mit 200 trauernden Bikern liest, lockern die ersten Lacher das von Urnen und Särgen dominierte Klima. Heiter lösend wirken auch die geschilderten Pannen bei so mancher Beerdigung. Und das letzte Eis brach die Geschichte vom Tod eines Homosexuellen, der im grünen Sarg mit Chromgriffen als schriller Paradiesvogel zu Grabe getragen werden soll.

"Der Tod gehört einfach zum Leben wie essen und trinken." Das wissen Tamara Pelleter und ihr Mann Marko Schneider - sind sie in den Familienbetrieb doch lange genug hinein gewachsen. Mit der dritten "Lesung an einem ungewöhnlichen Ort" verwandelte das Paar die bislang tabuisierten Räume eines Bestattungsunternehmens in einen "offenen, kommunikativen Ort" und holte Kultur ins Haus.

Renate Sengktos Hemmschwelle ist gering beim Umgang mit dem Tod. "Es gibt ganz tolle Projekte, bei denen Kinder die Särge nahestehender Verwandter bunt bemalen dürfen, um sich mit dem Tod abfinden zu können", weiß die 73-Jährige.

Trauerseminare bieten die Bestatter an der Schildsheider Straße auch an. Bücher und kleine Seelentröster in einer Vitrine sowie Broschüren über den Umgang mit dem Tod bei Kindern zeugen von tiefer und individueller Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen. Das Schicksal Einzelner ist Tamara Pelleter wichtig. "Mit manchen Kunden freunde ich mich sogar an."

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