Debatte um Gesundheitskarte

Die Städte Erkrath und Mettmann stehen der Einführung für Flüchtlinge skeptisch gegenüber. Sie fürchten zu hohe Kosten.

Debatte um Gesundheitskarte
Foto: Carsten Rehder/DPA

Kreis Mettmann. Seit Wochen liegt die „Rahmenvereinbarung zur Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge“ auf dem Schreibtisch von Marko Sucic. Unterschreiben wird der Leiter Soziales sie nicht. Auch der Erkrather Sozialdezernent Ulrich Schwab-Bachmann glaubt nicht, dass die Karte zur Abrechnung medizinischer Leistungen für Flüchtlinge eingeführt wird. Die Gründe? Zu wenig Kostentransparenz, zu hohe Verwaltungskosten.

Schon jetzt ächzen die Kommunen unter den steigenden Kosten für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen, bei denen es bislang keine Erstattungen durch Land und Bund gibt. Lediglich bei jährlichen Behandlungskosten ab 70 000 Euro pro Einzelfall springt das Land ein. „Das ist bei den momentanen Flüchtlingszahlen ein Tropfen auf den heißen Stein“, stellt Marko Sucic klar. Stattdessen fürchten die Städte die Häufung medizinischer Notfälle, die mit Blick auf leere Stadtkassen sofort die Alarmglocken läuten lassen würden.

Untermauert wird diese Befürchtung durch die Kalkulation der Mettmanner Sozialagentur: Ging man dort zum Jahresbeginn noch von 268 000 Euro für die ärztliche Versorgung von Flüchtlingen aus, müssen nun in Anbetracht der steigenden Zuweisungszahlen weitere 500 000 Euro nachträglich bewilligt werden. Bis zum Ende des kommenden Jahres rechnet Sucic mit insgesamt 1100 Flüchtlingen, die in Mettmann untergebracht und versorgt werden müssen. Etwa eine Millionen Euro sollen daher in 2016 allein für die Gesundheitsversorgung in den städtischen Haushalt eingestellt werden. Das wäre eine Kostensteigerung von etwa 750 000 Euro innerhalb von zwölf Monaten, wobei nicht klar ist, ob man damit tatsächlich auskommen wird oder im besten Falle vielleicht auch weniger Geld ausgegeben werden muss.

Schon jetzt müsste der Amtsarzt jenseits seines fachlichen Urteils darüber nachdenken, ob er traumatisierte Flüchtlinge in Therapie und Städte damit im Zweifel in den Nothaushalt schickt. Denn beim Kreisgesundheitsamt werden jenseits von akuten Erkrankungen und Schmerzbehandlungen diejenigen Fälle entschieden, bei denen vom behandelnden Arzt besondere Maßnahmen vorgeschlagen wurden. Diese Praxis ist bereits jetzt für die Städte mit Blick auf die Kosten schwer kalkulierbar. Würde die Gesundheitskarte eingeführt werden, würden am Ende nur noch die Rechnungen auf dem Schreibtisch der Sozialagenturen landen und bezahlt werden müssen. Hinzu kämen acht Prozent der Behandlungskosten, die sich die Krankenkassen als Verwaltungskosten erstatten lassen wollen.

Allzu oft geraten Städte derzeit in Erklärungsnot und müssen sich gegen den Vorwurf erwehren, Behandlungen zu blockieren, um Kosten zu sparen. Dabei will niemand die Notwendigkeit medizinischer Maßnahmen ernsthaft in Frage stellen. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass Kommunen angesichts der Entwicklungen „mit dem Rücken zur Wand stehen“ und sich zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt sehen, auch aus finanziellen Erwägungen heraus zu handeln.

„Wir plädieren dafür, Flüchtlinge in die übliche Krankenkassenversorgung aufzunehmen und dafür als Stadt die Beiträge einzuzahlen. Das wäre kalkulierbar, scheint politisch jedoch nicht gewollt zu sein“, glaubt Marko Sucic. Überlegenswert wäre dieser Vorschlag jedoch allein schon deshalb, weil die medizinische Behandlung von Flüchtlingen dann so wie allgemein üblich auf das Budget der Hausärzte angerechnet werden würde. Dass das bislang nicht so ist und Asylbewerbern alles verordnet werden kann, was Kassenpatienten zuweilen aus Budgetgründen verwehrt wird, zwingt wiederum die Städte zu zusätzlichen Kontrollen.

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