Kreis Mettmann Das Andertal-Festival zeigt sich literarisch

Kreis Mettmann. · Der Literaturkreis Era hatten zu einer nachdenklich-vergnüglichen Lesung eingeladen.

 Andertal-Festival: „Dicht bei Dichtern“, Ulrich Scharfenorth (v.l.), Barbara Ming und Axel Hippe.

Andertal-Festival: „Dicht bei Dichtern“, Ulrich Scharfenorth (v.l.), Barbara Ming und Axel Hippe.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Caterina Klusemann betreibt das Café im „Neandertal No. 1“ und füllt es mit Kultur. Wie jetzt mit dem Abend „Dicht bei Dichtern“. Barbara Ming, Ulrich Scharfenroth und Axel Hippe, allesamt Mitglieder des Literaturkreises ERA, lasen aus ihren Werken und ein kleiner, aber sachkundiger Kreis von Zuhörern hatte sich eingefunden. Die Musik, die Harry Meschke auf seinem Hang, einer abgeflachten Metallkugel, hervorzauberte, füllte die phantastische Höhle mit sphärischen Klängen. Am Gymnasium am Neandertal in Erkrath unterrichtet Carsten Nummert Deutschkunst. Ein offizielles Lehrfach, das die Schüler anregt, Literarisches nicht zu interpretieren oder zu analysieren, sondern ihre Gefühle, ihre Empfindungen künstlerisch umzusetzen.

Die Phrasen-Dreschmaschine sorgt für gute Unterhaltung

Gefühltes aus Gedichten von Paul Celan fand sich wieder in Gemälden, die das Treppenhaus zierten. In dieser Arbeit wurde Carsten Nummert von den drei Schriftstellern unterstützt. Barbara Ming setzt sich in ihren Werken sehr mit der Nachkriegszeit auseinander. Sie ist im ersten kompletten Friedensjahr in Düsseldorf am Friedensplätzchen geboren. Ein Omen? Wie ein roter Faden durchziehen die Zweifel und Auseinandersetzungen mit dem starren, konservativen Nachkriegsdeutschland ihre Erzählminiaturen. Nicht zornig, wie sie betonte: „Ich bin ein zornloser Mensch.“ Aber bewusst machen, sensibilisieren will sie.

Ganz anders wirkten, fast ein wenig befremdlich, die Wortschöpfungen von Axel Hippe, Maler und Schriftsteller im idyllischen Obmettmann wohnend, schier unauffindbar. In seinen Anagrammen, nur zwölf oder 15 Buchstaben einer Vielleicht- Überschrift, dürfen verwendet werden: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. In x-fachen Wortgebilden werden die Buchstaben teils aneinander gereiht, während seine Bilder expressionistisch erlebbar erscheinen.

Viel deftiger und lebensnaher kam Ulrich Scharfenroth mit seinen Erzählungen daher. Auch er schaut oft zurück – in die einengenden Zeiten, die er in der DDR erleben musste. Dort wurde er sozialisiert, wie er sagte. Seine Figur, Robert genannt, blickt aber auf die gute, alte Zeit zurück, verachtet Wolf Biermann, den Verräter und betrachtet den Mauerfall erst ungläubig. Nur zögerlich erschließt sich ihm die Differenz zwischen bewahrenswert und verhängnisvoll.

Richtig Spaß machte den Schülerinnen des Gymnasiums das Spiel mit dem Sinnfragen-Kombinator und der Phrasen-Dreschmaschine: Das willkürliche Umblättern einzelner Kärtchen ließ Fragen entstehen, so wie: (erste Karte) ist Gerechtigkeit, (zweite Karte) an allem schuld. Die Phrasen-Dreschmaschine hatte eine progressive und eine konservative Seite, die die zufällig gewählten Antworten von witzig bis bissig oder auch total bizarr erscheinen ließen. Ein wundervoll amüsantes, aber auch lehrreiches Spielzeug. Ob Schriftsteller auch so mit Wörtern spielen?

Der Literaturkreis Era bringt alle zwei Jahre eine Anthologie heraus, in der sich auch die jahrelang als die Kulturexpertin der Rheinischen Post schreibende Journalistin Gisela Schöttler wiederfindet.

Ein bezaubernder Abend in der Höhle, die noch von sich reden machen wird. Das Andertal-Festival geht noch bis zum 17. November weiter.

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