Märklin: Albtraum im Maßstab 1:87

Modelleisenbahner fürchten um die Zukunft des bekannten Herstellers, der in diesem Jahr 150 Jahre alt wird.

Kreis Mettmann. Es wäre wie Fußball ohne Bayern München oder Auto ohne Mercedes. Es ist unvorstellbar, ein Albtraum im Maßstab 1:87. Aber es könnte geschehen. Deshalb leben Modelleisenbahner überall auf der Welt seit Tagen in wachsender Sorge. Märklin ist insolvent. Keiner weiß, wie es weitergeht, wenn überhaupt. Ohne Märklin gäbe es keinen Traumnachschub mehr für die kleinen und die großen Jungs. Eigentlich gäbe es ohne Märklin auch keine Modelleisenbahn mehr. Es ist ein Drama, eines, das selbst gestandene Männer nicht kalt lässt.

"Ich bin mit Märklin groß geworden", sagt der Mettmanner Manfred Chinnow. Er werkelt seit 50Jahren an Zügen, Waggons und Streckenabschnitten, hat mit Märklin den Schritt von der analogen in die digitale Welt gemacht. Die Eisenbahn ist Teil seines Lebens geworden, als er sieben Jahre alt war. Sie ist Teil seines Lebens geblieben, auch wenn sich die Ehefrau von Zeit zu Zeit vernehmbar fragt, "was man mit dem ganzen Geld alles hätte machen können?"

Nichts besseres als das. Darin besteht für Manfred Chinnow kein Zweifel. Einmal Modellbahner, immer Modellbahner. Das ist drin, das geht nicht weg. Umso sorgenvoller geht der Blick nach Göppingen, wie die Traumschmiede der HO-Enthusiasten in diesen Tagen ums Überleben kämpft. "Es wäre schon sehr schade, wenn die Firma vom Markt verschwände."

Der Gymnasiallehrer für Englisch und Französisch spricht aus, was alle denken, die mit Modelleisenbahnen zu tun haben. Auch die bei den Modellbahnfreunden Mettmann, deren Sprecher er ist.

Während die Hobby-Lokführer schon ein bisschen Trübsal blasen, sind die Spielwarenhändler im Kreis Mettmann eher gelassen. Sie sind Kummer gewöhnt mit dem Weltmarktführer 1:87. Er glaube schon, dass es irgendwie weitergehen werde, sagt ein Verkäufer in Mettmann. Das täte auch not. Allein in diesem Geschäft kaufen mehr als 50 Stammkunden regelmäßig die Neuheiten aus Göppingen - wenn es sie denn gibt.

Das ist das große Problem der Schwaben. So mancher Händler schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er den Namen nur hört. Irgendwie scheint in den vergangenen Jahren die Produktionsplanung völlig schief gegangen zu sein. Zu jeder Nürnberger Spielwarenmesse werden Dutzende neuer Produkte angekündigt. Aber nach dem Gackern kommt kein Ei. Kunden warten oft Monate, zuweilen sogar länger als ein Jahr darauf, dass die ersehnte Lokomotive das erste Mal über die Gleise auf dem Dachboden dampft. Die Händler könnten erheblich mehr umsetzen, wenn sie nur die Ware bekämen. "Das ist schon ein Problem", sagt Gabriele Strothotte, die Chefin des gleichnamigen Spielwarenladens in Langenfeld. Dennoch geht sie nicht davon aus, dass Märklin vom Markt verschwindet.

Daran darf Manfred Chinnow überhaupt nicht denken. In diesen Tagen hat er oft das Bild vor Augen, das ihn für immer an die Eisenbahn bindet. "Das war 1958, ich stand mit meinen Eltern am Bahnsteig in Düsseldorf. Da kam die 01 mit ihren riesigen Triebrädern. Da war es um mich geschehen", sagt der Lehrer. Ein halbes Jahr später lag die Dampflok im Maßstab 1:87 unter dem Tannenbaum. Es war der Beginn einer unendlichen Leidenschaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort