Laptop und Smartphone - Zwei WZ-Reporter gehen „offline“

Laptop und Smartphone sichern schon heute für viele den sozialen Kontakt. Wird abgehängt, wer nicht online ist? Geht es in Zukunft nur noch mit Facebook und Co.? Zwei WZ-Reporter haben sich testweise abgeschaltet.

Kreis Mettmann. Der Mann ist im Brass. Die Stirn in Falten gelegt, der Blick an den Bildschirm gefesselt. „Benjamin, am Samstag ist Schluss mit lustig, du weißt Bescheid!“ Der Spruch lässt ihn aufschrecken. „Das geht aber nicht“, sagt er schnell. Ein Argument mag ihm aber nicht einfallen. „Das geht einfach nicht.“ Panik weicht Pflichtgefühl. „Das müssen wir wohl machen, was?“

Wochen zuvor war der Pakt entstanden. Das Experiment „Zwei Wochen ohne Facebook“ war eine Idee der Redaktion. Genauer gesagt der Redakteurin, die ihren sichtlich netzwerkabhängigen Kollegen auf die Probe stellen wollte. Sie selbst macht mit, fühlt sich aber von Anfang an siegessicher. Sie kann auch ohne.

Es sind neue Zeiten angebrochen. Mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken wurde der Schulkamerad von einst, der Kollege, dessen Nachnamen einem immer wieder entfällt, oder der lokale Fensterputzer durch einen Mausklick zum Freund. Jeder Nutzer gibt eine Statusmeldung ab, wie es ihm geht, in welchem Liegestuhl er sich gerade räkelt, wie die Currywurst geschmeckt hat. Zu Partys wird nicht mehr telefonisch oder per Mail eingeladen, es werden Gruppen zusammengestellt, die über das „Event“ informiert werden. Und Geburtstage werden dem Facebook-Nutzer angezeigt — schnell ist der Gruß auf die Seite des Geburtstagskindes gepinnt.

Diese virtuellen Kontakte werden in Zukunft noch zunehmen, sind sich manche Forscher sicher. Andere hingegen prophezeien, dass das Persönliche wieder wichtiger werden wird, dass „Online-Abstinenz“ schick wird.

Fakt ist: Online-Netzwerke erleichtern das Miteinander, weil der gute Freund, der im vollgestopften Alltag nicht auf ein Bier eingeschoben werden kann, sich durch eine kurze Nachricht berücksichtigt fühlt. „Sorry, im Stress. Ich denk an dich“, reicht völlig aus, das Telefonat am Abend schenken sich beide.

Der größte Vorteil ist jedoch der gestillte Voyeurismus. Ist die damalige Konkurrentin aus der Oberstufe wirklich Ärztin geworden? Ist der Schwarm etwa schon verheiratet? Und wer ist wohl dieser Typ, den die ehemalige beste Freundin auf dem Foto so herzlich drückt? Nicht zu vergessen finden auch Journalisten Anregungen aus der Netzwelt.

So lang die Liste der Vorteile ist, so lang ist die der Nachteile, wenn Facebook plötzlich wegen eines Experiments zum Tabu wird. Abends auf der Couch zucken die Finger in Richtung Handy, das blau-weiße Symbol will gedrückt werden. Die Gier, Fotos von der Hochzeit des befreundeten Paars aus Australien zu sehen, ist riesig. Der Ideenreichtum auch. „Willst du dich schnell über meine Kennung anmelden? Das merkt doch keiner“, versucht eine Freundin die zunehmend schwächer werdende Kollegin zu verführen.

In der Redaktion häufen sich die Sprüche. „Du verpasst einiges“, sagt einer mit fast sadistischem Unterton, und der andere sagt grinsend: „Na, wie geht es denn so ohne? Ist es schwer? Kommst Du klar?“

Für den netzwerkabhängigen Kollegen ist das eine fiese Attacke. Es ist wie bei einem Raucher, der aufhören will, dem von anderen aber ständig die Zigarette unter die Nase gehalten wird. Und genauso verhält sich der geneigte Nutzer auf Entzug: Er findet doch Mittel und Wege, online zu sein, ohne es tatsächlich zu sein. Kaum ist das Ziel erreicht, geht ein Schrei der Freude im Wohnzimmer los, weil er wieder Kontakt mit seinem Facebook-Freunden haben kann via Chat, obwohl er gar nicht angemeldet ist. Und dabei schwingt das Gefühl von Genugtuung mit, es doch geschafft und die anderen ausgetrickst zu haben. Die fragen sich nämlich: Wie macht er das bloß? Es bleibt aber sein Geheimnis.

Noch vor dem Ende des Experiments gibt es noch schnell die Anmeldedaten ein, und die virtuellen Freunde zeigen sich mit all ihren Meldungen, die sie in letzter Zeit gepostet haben. Ein ersten Überfliegen reicht schon: Irgendwie auch alles irrelevant, lautet der erste Gedanke. Der zweite dann aber: So ein Mist, dass ich die Eilmeldung der Kumpels zum Bier verpasst habe.

Die Kollegin hat die Genugtuung, auch wenn es ihr selbst schwer fiel, das Experiment durchzuziehen. Doch sie hat es im Gegensatz zum Kollegen geschafft. Drei Geburts- tage hat sie verpasst. Aber irgendwie ist das nicht schlimm. Es waren Geburtstagskinder, die sie auf der Straße wahrscheinlich nicht mal erkennen würde. Es waren nun mal nur Facebook- „Freunde“.

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