Zeitreise auf dem Kutschbock

Randolf Ohlys Schätzchen ist der Nauchbau der Postkutsche von 1850. Mit der WZ blickt er in die Vergangenheit.

Langenfeld. Die beigen Kordsitze federn weich nach, von der Decke hängen braune Lederschlaufen, Gardinenschals umrahmen die Fenster. Wer in der Postkutsche am Freiherr-vom-Stein-Haus sitzt, fühlt sich in die Vergangenheit zurückversetzt.

Schon sieben Mal wurde die Nachbildung der Postkutsche der Königlich Preußischen Post von 1850 in diesem Jahr ausgefahren, transportierte langjährige Postdirektoren zu ihrer Jubiläumsfeier oder brachte die Braut zur Kirche.

Randolf Ohly liebt diese Kutsche. 1998 gründete er den Verein Kutschen- und Fahrsportfreunde Langenfeld und schaffte es nur zwei Jahre später, die Postkutsche nach alten Konstruktionsplänen nachbauen zu lassen.

Das Original steht im Postmuseum Frankfurt am Main. Ohly hat sie studiert, die Postgeschichte Langenfelds. Schon unzählige Male wanderte er durch die Dauerausstellung in der ersten Etage des Kulturellen Forums und noch immer bleiben seine Blicke an einzelnen Dokumenten hängen.

Schon 1668 gab es einen Erlass des Herzog von Berg und Kurfürsten Philip Wilhelm für eine wöchentliche Postfuhr zwischen Düsseldorf und Köln. Später wurde der Erlass auf täglich zwei Hin- und Rückfahrten der Postlinie Düsseldorf — Langenfeld — Köln erweitert.

1784 wurde auf Betreiben Solinger Industrieller, die einen Anschluss an die großen Postlinien suchten, eine Personenpost von Langenfeld über Solingen nach Elberfeld eingerichtet. Auf dieser Strecke verkehrte der letzte Personenwagen 1905.

Auch wenn Ohly heute viele Hochzeitspaare zur Trauung kutschiert, weiß er, dass die Postkutschenzeit alles andere als romantisch war. Nicht selten endeten Reisen mit Unfall, Ausraubung oder sogar dem Tod. Die Straßen waren unbefestigt, „deshalb auch sehr holprig“ und bargen eine Vielzahl von Gefahren.

Wenn man den Aufzeichnungen glauben schenken darf, machten sich 1799 40 Räuber auf den Weg nach Langenfeld, um dort Postkutschen zwischen Köln und Düsseldorf zu überfallen. Kutscher und Fahrgäste wurden vergiftet und der Tresor der Kutsche aufgebrochen. Die 40 Räuber erbeuteten die gesamte wertvolle Ladung der Kutsche.

Rund 30 Kilometer legten die Pferde damals zurück, dann wurden sie an der nächsten Station ausgewechselt. Bei einem Gewicht von 1.500 Kilogramm waren zwei bis drei Pferde nötig, um das Gefährt in Bewegung zu setzen.

Alte Fahrpläne in der Remise am Freiherr-vom-Stein-Haus verkünden die Fahrtzeit, die es mit der Postkutsche nach Düsseldorf brauchte: Ganze vier Stunden immerhin, viereindrittel Stunden fuhr man in die andere Richtung nach Köln-Mülheim. Sechs Leute konnten in der Kutsche befördert werden.

Bei der holprigen Fahrt, seien die Passagiere froh gewesen, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Heute ist das anders, die Fahrt in der Postkutschen-Nachbildung gemütlich — und romantisch, sagt Ohly. Die Nachfrage ist ungebrochen. „In den Sommerferien ist es erfahrungsgemäß ruhiger. Aber schon bald werden wir wieder auf große Fahrt gehen“, sagt Ohly.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort