Wohnung verzweifelt gesucht

Familie Scheidler sucht eine Wohngruppe für Sohn Sven. Aber die Plätze sind rar. Jetzt haben Scheidlers mit anderen Eltern den Verein „Rückenwind“ gegründet.

Monheim. Für Sven ist es bald Zeit auszuziehen. Der 20-jährige Monheimer arbeitet in einer Werkstatt, musiziert in seiner Freizeit gern — und ist auf seinen Rollstuhl angewiesen. In der Wohnung seiner Eltern an der Tannenstraße ist alles für ihn eingerichtet. „Es ist aber wichtig, dass er den Absprung schafft“, sagt Vater Jörg Scheidler (51). Für die Familie ist es ein riesiges Projekt.

Die Stufen vom Hauseingang bis zur Erdgeschosswohnung überwinden die Scheidlers mit einem Treppenheber: „Das ist eine Sackkarre für den Rollstuhl“, erläutert der Vater. Ein Elektromotor dreht die Räder, Scheidler muss nur die Balance halten: „Inzwischen kann ich das mit dem kleinen Finger.“ In der Wohnung sind starke Metallschienen unter der Decke eingezogen. „Das ist nicht, um das Moped zu reparieren“, erläutert der Vater und grinst dabei. Sven kann entlang der Schienen mit einer Laufkatze transportiert werden, ein Tuch dient ihm dabei als Sitz.

„Allerdings kann ich vieles kaum allein handhaben“, sagt Scheidlers Frau Gabi (60). Sven könne ohne Unterstützung nur liegen oder im Rollstuhl sitzen, aber er habe viel Kraft im Oberkörper.

Jörg Scheidler war früher Berufskraftfahrer, ist jetzt in Rente, seine Frau hat in einem kaufmännischen Beruf gearbeitet. Als Sven 18 wurde, haben sie sich vom Gericht als Betreuerin bestellen lassen: „Ich dachte erst, das geht automatisch. Wir sind doch die Eltern“, sagt Gabi Scheidler. So einfach war es dann doch nicht.

Sven sei in manchmal wie ein zehnjähriger Junge, erläutert der Vater. Dabei sei er ebenso ein junger Mann. Lady Gaga höre er gern laut, und seinen Abend wolle er nicht mit einem Sissi-Film verbringen: „Er geht gern zur Kirmes, weil ihm die bunten Lichter gefallen. Aber er will dann auch auf alle schnellen Karussells.“ Wütend werde Sven dann, denn er kann halt nicht mitfahren.

„Ich habe gelernt, mich in Geschäften zurechtzufinden“, sagt Scheidler. Gänge zwischen Kleiderständern seien oft zu schmal für den Rollstuhl, im Kino würde es heißen, Sven blockiere einen Fluchtweg: „Warum richten die sich nicht darauf ein, wie es die Fußballstadien machen?“, fragt der Vater.

„Sven weiß, was eine eigene Wohnung bedeutet“, sagt Gabi Scheidler. Er habe sich ausführlich erkundigt, berichtet ihr Mann. In einer Wohneinrichtung in Hilden wäre Sven der Jüngste gewesen. Der nächstältere Bewohner ist 58 Jahre alt. „Es gibt zu wenig Plätze für junge Leute“, sagt Scheidler. Passende Häuser hätten Wartelisten: „Dabei heißt es dann immer: Bei uns zieht normalerweise niemand aus.“

Ideal wäre für Sven eine Wohngruppe mit anderen jungen Erwachsenen und professioneller Unterstützung, sagt Scheidler. Dafür engagiert er sich zusammen mit anderen Eltern im Verein „Rückenwind“. Im vergangenen Herbst hat sich die Gruppe in Monheim und Langenfeld gegründet. „Es ist wichtig“, fügt Scheidler hinzu: „Wir können nicht ewig für Sven da sein.“

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