Langenfeld Als Napoleon ein Auge auf Langenfeld warf

Im Jahr 1789 war Kaiser Napoleon auf Eroberungsfeldzug durch Europa, dabei führte sein Weg ihn auch nach Langenfeld. Heimatforscherin Annelies Rejek hat dazu umfangreich recherchiert.

 Dieses Gemälde von Fritz Hoppe zeigt einen Gasthof für Postkutschen-Reisende samt Rathaus an der Düsseldorfer Hauptstraße im Stadtmuseum.

Dieses Gemälde von Fritz Hoppe zeigt einen Gasthof für Postkutschen-Reisende samt Rathaus an der Düsseldorfer Hauptstraße im Stadtmuseum.

Foto: Stadtmuseum und Stadt-Sparkasse Langenfeld/Stephan Meisel (mei)

Die Vorgeschichte

Das Rheinland stand auf Napoleons Wunschliste ganz oben. Er war begeistert vom Land und den Leuten, von den günstigen Verbindungsstraßen rechts des Rheins und vom hohen Stand der Kleinindustrie im Bergischen Land. Das waren gute Aussichten für seine Zukunftspläne. Das damalige Kirchspiel Richrath mit der Thurn-und-Taxis-Postkutschenstation an der Kreuzung von Köln nach Düsseldorf und von Solingen zum Rhein war für Napoleon ein zusätzliches Wunschziel. Der letzte Landesherr des Herzogtums Berg war Maximilian Josef von Pfalz Zweibrücken (1799 bis 1806). Er residierte in München und hatte an seinen rheinischen Landen kein großes Interesse.

Die Eroberung

Im September 1795 setzen französische Truppen über den Rhein und besetzen Düsseldorf. Die bergischen Soldaten leisten nur geringen Widerstand. Zeitzeugen schildern die Leiden des Volkes während der französischen Besatzungszeit. Eine dramatische Schilderung können wir in der Chronik des damaligen Richrather Pfarrers Hermann Jacob Ludovici (1731 bis 1802) lesen. Sein Pfarrhaus befand sich dort, wo heute der Martinus-Kindergarten am Zehntenweg ist. Ludovici beschrieb Überfälle der französischen Soldaten und heftige Auseinandersetzungen zwischen Franzosen und Österreichern. Der Monheimer Geschichtsschreiber Theodor Prömpeler schildert in seiner „Geschichte der ehemaligen Freiheit Monheim“ (1929, Seite 113 bis 121) die Kriegsleiden des Volks in gleicher Weise. Nach Friedensverhandlungen in Luneville (1801) mussten die Franzosen das rechtsrheinische Gebiet verlassen und das Herzogtum Berg wurde für eine Zwischenzeit von fünf Jahren wieder von Kurfürst Maximilian Joseph IV. von Bayern aus regiert.

Das Großherzogtum Berg

Nach erneuten überließ 1806 Maximilian Josef sein Herzogtum am Rhein Napoleon und wurde dafür mit zwei kleinen ehemals preußischen Territorien sowie dem Titel „König von Bayern“ entschädigt. Napoleon wurde damit ganz legal Landesherr und machte das nunmehr „Großherzogtum Berg“ genannte Land zu einem Satellitenstaat Frankreichs.

Richrath und Reusrath im Großherzogtum

Die Richrather und Reusrather haben ihre neue Staatsbürgerschaft und die französische Lebensweise vor 213 Jahren freundlich aufgenommen. Sie bewunderten Napoleon sogar und das hatte zwei Gründe: 1799 hatte eine Bande unter dem berüchtigten Räuberhauptmann Matthias Weber, genannt der Fetzer, die Langenfelder Poststation „Thurn und Taxis“ brutal überfallen und ausgeraubt. Fetzer und seine Kumpane konnten lange nicht gefasst werden, versetzten Land und Leute in Angst und Schrecken – bis 1801. Da nahmen napoleonische Polizisten den Fetzer in der Umgebung von Köln fest, seit 1794 bereits französisches Herrschaftsgebiet. Dem Räuberhauptmann wurde der Prozess gemacht. Im Februar 1803 rollte sein Kopf unter dem Fallbeil in einen Kölner Weidenkorb – übrigens sehr zur Genugtuung der Richrather. Die Begeisterung der Berger für die neue Zeit hatte einen zweiten Grund: die Erklärung der Menschenrechte, die nun auch für sie galten: Freiheit - Gleichheit – Brüderlichkeit. Bauern erhielten ihr ehemaliges Lehen als persönlichen Besitz und wurden frei von den Hand- und Spanndiensten, die sie für den Grundherrn leisten mussten. Im Stadtarchiv Langenfeld befinden sich die Akten mit den Namen der Richrather Bauern, die Dank Napoleon freie Landbesitzer wurden. Auch Abgaben und Verpflichtungen der Bauern gegenüber dem Pfarrer und ihrer Kirchengemeinde fielen weg. Ebenso der Grundsatz „Alle sind vor Gericht gleich“ wurde vom Volk begrüßt.

Vereinigung von Richrath und Reusrath

Mit der neuen Verwaltungsordnung wurde das alte Kirchspiel Richrath erstmals mit Reusrath vereint und zur Bürgermeisterei Richrath ernannt. So verdankt Langenfeld Napoleon die Wurzeln der heutigen Stadt. Gleichzeitig erhielt jede Bürgermeisterei ein Standesamt mit der Aufgabe, alle Personenstandsdaten zu verzeichnen und zu verwalten. Bis dahin waren Hochzeiten, Geburten und Todesfälle nur in den Kirchenbüchern zu finden. Neu war auch, dass Richrath nun ein Kanton (Kreisbehörde) war und Monheim eine Bürgermeisterei im Kanton Richrath. Das wird den Monheimern sehr missfallen haben, denn Jahrhunderte lang gehörte das Kirchspiel Richrath zum Amt Monheim.

Das Wirtschaftsleben

Die französische Regierungszeit im Rheinland versprach für alle eine gute Zukunft. Die Bauern waren frei geworden, Handel, Wirtschaft und Verkehr wuchsen – zunächst. Das änderte sich indes, als Napoleon 1808 eine Wirtschaftssperre einführte und Handel und Verkehr mit England verbot (Kontinentalsperre). Dies wirkte sich sehr negativ auf die rheinische Wirtschaft aus. Auch das Währungssystem wurde dem französischem angepasst. Der bergische Stüber und der Reichstaler behielten nur noch kurze Zeit ihre Gültigkeit. Ab dem 1. Januar 1810 wurde die französische Währung eingeführt und der Franc galt nun im gesamten Großherzogtum Berg.

Die Post im Großherzogtum

Seit mehr als 100 Jahren stand das Postwesen unter der Kaiserlichen Thurn und Taxisschen Post. Das missfiel Napoleon natürlich und er befahl, Gesetze und Grundsätze der Postverwaltung nach französischem Vorbild einzuführen. 1806 hörte die Thurn und Taxissche Post auf zu existieren. Die Langenfelder Poststation an der Kreuzung der beiden für Napoleon strategisch wichtigen Straßen von Düsseldorf nach Köln und von Wuppertal/Solingen/Remscheid zum Hafen nach Rheindorf, wurde eine großherzogliche Poststation unter französischer Verwaltung. Das verlief ohne Störungen, auch die Posthalterfamilie Lungstras behielt ihr Postpatent und führte die Poststation weiter. Damit blieb die große Bedeutung für Napoleon und seine Eroberungspläne erhalten. Er selbst und seine Kaiserin Marie Louise passierten 1811 auf der Durchreise von Düsseldorf nach Köln die Langenfelder Poststation – so wie später unzählige Truppenverbände auf ihrem Marsch zu Napoleons Schlachtfeldern.

Unruhen und Wehrpflicht

Nur fünf Jahre dauerte die Reformpolitik, bis sich im Großherzogtum allgemeine Unzufriedenheit ausbreitete. Die anfängliche Begeisterung für die verkündeten Menschenrechte ging verloren. Man hatte dabei nicht bedacht, dass das Bekenntnis zur Brüderlichkeit auch in Kriegszeiten Gültigkeit hat. Und so war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eine große Enttäuschung für das Volk. Bereits 1806 stellte das Großherzogtum 3000 Mann für die französische Armee, und bis 1812 waren die bergischen Truppen nahezu 10 000 Mann stark. Sie kämpften für Napoleon auf den Schlachtfeldern in Sachsen und Bayern, in Böhmen und Österreich, schließlich in Russland.

Aus Großherzogtum wird Rheinprovinz

Der Russlandfeldzug und die großen Verluste in der Völkerschlacht bei Leipzig bedeuteten auch das Ende des Großherzogtums Berg. Noch im Jahr 1812 verließen die französischen Beamten Düsseldorf. Sie vergaßen nicht, die bergische Staatskasse mitzunehmen. Die Truppen der Alliierten, russische und preußische Soldatenverbände, befanden sich auf dem Marsch nach Paris. Im November 1815 fiel das ehemalige Großherzogtum Berg auf Beschluss der Siegermächte dauerhaft Preußen zu und wurde später zur „Preußischen Rheinprovinz“.

Richrather Soldatenschicksale

Aus dieser Zeit sind für die Bürgermeisterei Richrath vier Kriegs-Teilnehmer bekannt: Peter Dünnwald trat 1812 in die deutsch-russische Legion ein, kämpfte nun freiwillig gegen Napoleon und starb auf einem Feldzug. Theodor Pesch hatte als Husar in den Freiheitskriegen gegen Napoleon gekämpft, starb als letzter Veteran 1878. Johann Wilhelm Jansen, geboren in Feldhausen, schrieb 1814 einen Brief aus der Schlacht um Mainz, das zu der Zeit noch französisch war. Werner Decker aus Berghausen führte mit 20 Jahren die Kosaken, die auf dem Marsch von Düsseldorf nach Paris waren, bei Reuschenberg über die Wupper. Die Nachricht steht in der Pfarrchronik St. Martin. Pfarrer Breuer hat neben den Totenzettel und einem Foto von Decker eine Erklärung geschrieben.

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