Sozialpädagoge: „Vielen fehlt das Verständnis für die Jugendlichen“

Torsten Hartwagner ist im Team der Aufsuchenden Jugendarbeit. Aus Erfahrung sagt er: Anwohnerbeschwerden wegen Lärms sind in den meisten Fällen unbegründet.

Langenfeld. Torsten Hartwagner (47) ist seit drei Jahren als Sozialpädagoge bei der Aufsuchenden Jugendarbeit (AJA) für die Stadt im Einsatz. Mit seinen beiden Kollegen Yvonne Laun und Jörg Kreissl nimmt er Kontakt zu Jugendlichen auf, die sich meist draußen in Cliquen treffen.

Herr Hartwagner, was bedeutet Aufsuchende Jugendarbeit?

Torsten Hartwagner: Das bedeutet, wir gehen tagsüber und an Wochenenden auch abends zu den Außentreffpunkten der Jugendlichen. Wir bringen Infobroschüren mit, manchmal auch etwas zum Grillen oder verteilen Kondome. Dann reden wir über die alltäglichen Dinge. So erfahren wir, wie es ihnen geht, was sie beschäftigt und ob es möglicherweise auch Probleme gibt.

Wo sind denn die beliebtesten Treffpunkte?

Hartwagner: Das sind Schulhöfe oder Spielplätze. Das hat in der Vergangenheit ja auch schon zu Ärger geführt, es gab Anwohnerbeschwerden. Aber tagsüber bis zu einer gewissen Uhrzeit dürfen die Jugendlichen sich dort aufhalten.

Aber sie bleiben doch sicherlich auch darüber hinaus?

Hartwagner: Ja, natürlich. Aber so lange die Jugendlichen keinen Unsinn machen — und das machen sie in den meisten Fällen nicht — gibt es eigentlich auch keinen Grund zur Beschwerde.

Sind die Anwohnerbeschwerden denn in den meisten Fällen unbegründet?

Hartwagner: Ja. Ich habe es schon selbst erlebt, dass die Polizei anrückte, obwohl ich die ganze Zeit zwischen den Jugendlichen saß. Als es dann hieß, Anwohner hätten die Polizei gerufen, weil es zu laut gewesen sei, konnte ich nur den Kopf schütteln. Da war gar nichts.

Woran stören sich die Anwohner dann?

Hartwagner: Es ist das fehlende Verständnis für junge Leute. Natürlich gibt es Ausnahmen, wenn eine Gruppe Blödsinn macht. Dann ist eine Beschwerde ja absolut nachvollziehbar. Aber in den meisten Fällen — das nehmen wir in unserer Arbeit wahr — ist die Kritik unberechtigt. Die Anwohner stören sich daran, dass die Jugendlichen draußen sind.

Gibt es denn genügend Angebote für Jugendliche in Langenfeld?

Hartwagner: Auf jeden Fall. Die gibt es. Da sind das städtische Jugendzentrum und die Einrichtungen der kirchlichen Träger. Aber es ist doch nur verständlich, dass Jugendliche sich auch mal fernab von pädagogischer Betreuung treffen möchten. Dort, wo es kein Rauchverbot gibt, zum Beispiel.

Ist es heute schwieriger, Jugendliche zu erreichen, als noch vor einigen Jahren?

Hartwagner: Der Alltag der Jugendlichen hat sich durch den Offenen Ganztag und das Internet schon verändert. Vor dem Offenen Ganztag kamen die Jugendlichen in das Jugendzentrum, heute sind die den ganzen Tag in der Schule. Aber auch mit den Schulen haben wir heute Kooperationen, deshalb ist es für uns nicht schwieriger geworden, mit ihnen in Kontakt zu treten.

Und was ist mit dem Internet?

Hartwagner: Zwei von drei Jugendlichen in unseren Jugendkreisen sind Mitglied bei Facebook oder mindestens in einer anderen Community. Auch wir von der Aufsuchenden Jugendarbeit sind dort vertreten. So haben wir die Möglichkeit, einen Einblick in die Stimmungslage zu bekommen, brisante Themen und Probleme frühzeitig zu erkennen. Auch für die Jugendlichen ist es so einfacher geworden, mit uns in Kontakt zu treten. Das Internet bietet also auch viele Vorteile.

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