Pferdezüchter: „Kaltblütig“durch die Aue

Familie Reuter betreibt seit mehr als 60 Jahren eine Kaltblut-Pferdezucht. Ihre erste Stute retteten sie vor dem Metzger. Heute leben Tiere und Menschen auf Haus Bürgel.

Baumberg. Tiffy und Tora bringen zusammen mehr als eine Tonne auf die Waage. Das ist nicht zu überhören. Wenn Herbert Reuter seine beiden Kaltblutstuten durch die Stallungen auf Haus Bürgel führt, schallen die gewaltigen Hufe bei jedem Schritt auf dem Betonboden. Ganz gemächlich trotten die Pferde hinter ihrem Züchter her, der Strick baumelt locker im Takt. „Kaltblüter sind halt sehr gelassene Pferde“, sagt Reuter.

Familie Reuter, die den Hof auf Haus Bürgel bewirtschaftet, züchtet schon seit mehr als 60 Jahren Kaltblutpferde. „Mein Vater kaufte die erste Stute dem Metzger ab“, erinnert sich Herbert Reuter. In den 50er-Jahren kamen Traktoren auf den Markt — das Kaltblutpferd wurde arbeitslos. Viele Bauern brachten ihre ehemaligen Nutztiere zum Schlachter. 1950 waren im rheinischen Pferdestammbuch 22 000 Kaltblüter aufgeführt, 20 Jahre später lag der Bestand nur noch bei 30 Tieren. „Mein Vater wollte mithelfen, die Rasse zu retten.“

Heute stehen sechs sanfte Riesen im Stall auf Haus Bürgel. Im Juni wird die kleine Herde um ein Mitglied stärker: Die achtjährige Tora erwartet ihr erstes Fohlen. Schon das wird ein Geburtsgewicht von bis zu 80 Kilogramm haben. Auch im neunten Monat zieht Tora mit ihrer Schwester Tiffy fast täglich den Planwagen, der für Besucher bereitsteht. „Das ist kein Problem“, sagt Reuter.

Gäste äußern regelmäßig bedenken, wenn die Pferde vor die 1,5 Tonnen schwere Kutsche gespannt werden: „Die armen Tiere.“ Dabei könnten die beiden Kaltblüter das Dreifache ziehen. „So eine Kutsche ist ein Kinderspiel. Früher wurden die Pferde den ganzen Tag auf dem Feld eingesetzt“, sagt Reuter. Noch heute lässt er manchmal den Traktor stehen und spannt seine Pferde fürs Heuwenden ein.

Auch andere Arbeiten erledigen die kräftigen Tiere leicht. Herbert Reuter und seine Schützlinge unterstützen ab und zu den Förster im Wald. Dann ziehen die Kaltblüter beispielsweise Baumstämme aus schwer zugänglichem Gelände. „Da kommen Maschinen oft nicht hin.“

Tiffy, Tora und ihre Kollegen freuen sich über die zusätzliche Arbeit. Haben sie nichts zu tun, sind sie unglücklich. „Der Hengst musste aufgrund einer Sehnenentzündung ein halbes Jahr pausieren. Das hat ihm zugesetzt.“

Schließlich ist das Kaltblut kein Dressur- oder Springpferd, sondern ursprünglich als Arbeitstier gezüchtet. „Wir reiten nur sehr selten auf ihnen“, sagt Reuter. Seinen Namen verdankt die Rasse ihrem ruhigen, „kalten“ Gemüt. Dass der Kaltblüter kein kaltes Blut hat, überrascht vor allem Kinder. Ganze Schulklassen wundern sich über das Gefühl, wenn sie die Pferde streicheln dürfen. „Die sind ja ganz warm“, rufen sie dann im Chor.

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