Partnerberatung zwischen Sauerkraut und Backfisch

Die WZ verbrachte eine Stunde auf dem Marktplatz — ein Ort, an dem sich Bekannte treffen und sich neue Bande knüpfen.

Langenfeld. Die Seniorin fuchtelt mit den Armen in der Luft herum. „Der ist doch ganz neu, warum saugt er denn nicht mehr richtig?“, fragt sie den Mann am Beratungsstand. Der redet beruhigend auf die Dame ein, baut den Rüssel auseinander. „Sie müssen den Filter reinigen, junge Frau“, sagt er und schiebt ihn der Dame unter die Nase. Nebenan klimpert eine Frau mit dem gesammelten Silbergeld in ihrem Plastikbecher. Sie wird gar nicht wahrgenommen.

Auf dem Marktplatz gehen die Stimmen ineinander über. Der Gemüsehändler preist seine „deutschen Minigurken“ und den „aromatischen Blumenkohl“ an, im Sekundentakt wird an den verschiedenen Theken der Satz „Darf es noch etwas sein“ gesagt. Bekannte treffen sich, plauschen miteinander. Über das schlechte Wetter, die saftigen Tomaten, das Essen vom Vorabend und das Rückenleiden des Ehemanns. Und es kommen Fremde miteinander ins Gespräch. Marktkenner geben den Neuen Tipps, ob sich der Kauf des Sauerkrauts aus dem Fass lohnt. „Das müssen Sie probieren. Das ist kein Vergleich zum Kraut aus der Dose“, sagt der bärtige Mann zur jungen Frau, die sich noch nicht für die triefenden gelben Fäden begeistern kann. „Fein sind auch Salzgurken. Meine Frau und ich haben jetzt auch zu Hause welche im Steintopf angesetzt.“

Am Gemüsestand einige Meter weiter kommen zwei Frauen ins Gespräch. Wo sie denn die schöne Hose herbekomme, fragt die eine. Von einem spanischen Hersteller sei sie, antwortet die andere. Zehn Minuten stehen sie da — mitten auf dem Marktplatz — und unterhalten sich über den ehemaligen Boutique-Inhaber hinter dem Fachwerkhaus, der angeblich nach Spanien auswanderte, über die Herkunft der eigenen Eltern und darüber, ob es sich eigentlich lohne, einen Computer anzuschaffen. „Die Rheinländer sind nichts für mich, ich komme aus Hamburg“, sagt die Dunkelhaarige. Und dennoch suche sie in der Region einen Partner fürs Leben. Sie habe sich sogar schon die Formulierung für eine Kontaktanzeige überlegt. „Ich habe so viele Pläne. Ich brauche auch jemanden, mit dem ich sie realisieren kann“, sagt sie. Innerhalb von Minuten ist die fremde Frau in der schönen Hose zur Partnervermittlerin mutiert.

Ein Rettungswagen parkt am Rande des Marktplatzes, zwei Männer mit roten Gesichtern springen von den Sitzen, schnappen sich jeweils einen Koffer und eilen in Richtung Apotheke. Als sie am Gemüsestand ankommen, hat sich die Seniorin bereits wieder berappelt. Der Ehemann redet auf sie ein: „Jetzt sag’ nicht, dass du gar nichts hast. Du bist schließlich umgekippt.“ Doch die Frau winkt ab. „Mir geht es wieder gut. Du hättest wirklich nicht anrufen sollen, Karl.“ Die Männer packen zusammen und gehen zurück zum Wagen. Die Frau hakt sich bei ihrem Mann unter und geht langsam Richtung Parkhaus.

Der Marktplatz ist leerer geworden. Nur noch vereinzelt stehen Leute an den Ständen, der Rest scheint sich am Fischstand gegenüber der Apotheke versammelt zu haben. Zwei lange Schlangen haben sich gebildet. Der Mann am Stand nebenan packt seine Sauger zusammen. Und auch die zwei Frauen, die sich heute zum ersten Mal auf dem Marktplatz trafen und ins Gespräch kamen, gehen wieder ihrer Wege. Bis zum nächsten Mal am Gemüsestand.

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