Monheim Wo die Natur auf alten Wegen aufblüht

Monheim/Urdenbach. · Fünf Jahre ist es her, dass der Altrhein aus seinem künstlich begradigten Bachbett befreit wurde. Nun ist er ein Lebensraum für Tausende Frösche und Fische. Darunter auch bedrohte Arten.

 Elke Löpke, Leiterin der Biologischen Station, und Tobias Krause, Untere Umweltbehörde, auf der Holzbrücke am  Altrhein.

Elke Löpke, Leiterin der Biologischen Station, und Tobias Krause, Untere Umweltbehörde, auf der Holzbrücke am Altrhein.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Wenn man der Natur ihren Lauf lässt, dann lassen sich die Folgen nicht exakt vorhersagen. Das zeigt sich gut in der Urdenbacher Kämpe. Fünf Jahre ist es her, dass der Altrhein aus seinem künstlich begradigten Bachbett befreit wurde. Damals wurde der Deich, der ihn seit den 50er Jahren eingedämmt hatte, an zwei Stellen im Abstand von 2,5 Kilometer geöffnet. So bahnte sich der Altrhein neben dem bisherigen Verlauf einen Abzweig in sein altes Bett. Wer von Urdenbach aus am Eingang der Kämpe hinter der Brücke links abbiegt, der befindet sich nach einiger Zeit auf besagtem Deich. An einer Holzbrücke angekommen, stehen Fußgänger an der Öffnung. Das Wasser strömt dort langsam, rechts zweigt der neue natürliche Arm des Altrheins ab.

In diesen trockenen Sommertagen ist das Bachbett oft ausgetrocknet. Dann ist neben dem Spazierweg auf der rechten Seite nur ein breiter Streifen feuchter, dunkler Erde mit Vogelspuren zu sehen. Modrig riecht es dort. Vor einiger Zeit riefen bei der Biologischen Station Spaziergänger an. Sie hatten im austrocknenden Bachbett tote Fische gesehen und machten sich Sorgen. Elke Löpke, Leiterin der Biologischen Station, erklärte ihnen, dass dies kein Grund zur Beunruhigung sei, sondern Teil der Natur. „Für den einzelnen Fisch mag es ein Drama sein, für ein anderes Tier ist es als Beute der Hauptgewinn.“ Zum Beispiel für den Rot- oder den Schwarzmilan.

Trotz Trockenheit hat der Fischbestand im Altrhein in den vergangenen Jahren zugenommen. Um die Entwicklung zu kontrollieren, wird alle zwei Jahre der Bestand auf mehreren Abschnitten untersucht. Bei der Kontrolle 2017 wurden dabei 1614 Fische gefangen, vor der Deichöffnung 2013 waren es 1301. Von den 23 festgestellten Fischarten stehen fünf auf der Roten Liste der gefährdeten Arten: Steinbeißer, Aale, Hecht, Koppe und Nase. „Früher hatten wir zehn bis 15 Steinbeißer hier, heute sind es Dutzende“, sagt Tobias Krause von der Unteren Umweltbehörde.

Schaut man von der Holzbrücke ins Wasser, sieht man viele Pflanzen auf der Oberfläche schwimmen. Das war vor der Deichöffnung noch anders. „Nach Gewittern oder starken Regenfällen wurden die Pflanzen mit der Strömung weggeschwemmt“, sagt Krause. Die Pflanzen reinigen nicht nur das Wasser, sondern bieten auch jungen Fischen Schutz und damit gute Lebensbedingungen. Das lockt heranwachsende Hechte und Barben an. Der Bach wird deshalb auch die Kinderstube des Rheins genannt.

Gras- und Grünfrösche fühlen sich in der feuchten Aue ebenfalls wohl und haben sich vermehrt. „Vorher hatten wir hier Hunderte, jetzt sind es Tausende“, sagt Krause. Das zieht Wasservögel an, die hier Nahrung finden. Neben dem Graureiher haben Nachtreiher und Zwergdommel, eine kleine Reiherart, den Altrhein für sich entdeckt. „Die hatten wir gar nicht auf dem Schirm“, sagt Krause. Erfreulich, aber nicht überraschend ist der Besuch einer anderen Vogelart. Vor einiger Zeit wurden am Altrhein Weißstörche bei der Paarung beobachtet. „Jetzt müssen wir handeln, haben wir gedacht und zwei Nisthilfen aufgestellt“, sagt Löpke. Jetzt gebe es in NRW mehr als 300 Paare, berichtet Krause. „Die müssen ja irgendwo hin.“

Die Pflanzenwelt hat sich ebenfalls an die veränderten Bedingungen angepasst. „Die gelbe Wiesenraute ist ganz charakteristisch und auch der violette Blutweiderich“, sagt Elke Löpke und weist auf die blühenden Staudenarten an der Uferböschung. Wie kleine Sonnenblumen sieht das Auengewächs mit dem lustigen Namen Nickender Zweizahn aus. Auch die Reisquecke, eine Gräserart, und der Echte Baldrian mögen die feuchte Umgebung.

Es gibt aber auch Pflanzen, die sich am Altrhein verabschieden, weil es ihnen dort zu feucht geworden ist. Hier und da ragt der Stamm einer abgestorbenen Pappel aus dem Auenwald. Was manchen Spaziergänger stört, ist für andere Lebewesen wiederum ein Gewinn. Der Kleinspecht baut sich in dem toten Holz eine Höhle zum Nisten. Manchmal hört und sieht man ihn bei seiner Arbeit.

Wenn der neue Seitenarm des Altrheins wieder genügend Wasser führt, dann kann man dort Enten beim Fischen beobachten oder den Kopf eines Bisams aus dem Wasser auftauchen sehen. Bei Naturbeobachtern und Fotografen ist der Altrhein zum beliebten Treffpunkt geworden. Zu erkennen sind sie an ausladenden Objektiven an der Kamera. Oder an ihrem bedächtigen Schritt auf dem nicht allzu breiten Weg. „Sie tragen zur Entschleunigung bei. Wir haben keine Probleme mit rasenden Radfahrern“, sagt Elke Löpke.

Mit dem renaturierten Altrhein haben Düsseldorfer und Monheimer eine seltene Naturlandschaft vor der Tür: „Ein Niederungsgewässer, das sich eigendynamisch entwickelt, ist in NRW einzigartig“, sagt Krause. Die Veränderungen in der Pflanzen- und Tierwelt werden bis 2023 dokumentiert.

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