Monheim  Jenniches lässt es langsamer angehen

Monheim. · Margret Jenniches macht sich seit Jahrzehnten für Monheimer Belange stark. Aus Altersgründen lässt sie jetzt Jüngere ran. Ein Steckenpferd aber bleibt: Kolumbien.

 Margret Jenniches (77) war vor allem in der katholischen Kirchengemeinde aktiv.

Margret Jenniches (77) war vor allem in der katholischen Kirchengemeinde aktiv.

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Margret Jenniches (77) sticht aus ihrer Generation von Frauen heraus. Sie verweigerte sich dem noch in den 60er Jahren propagierten Frauentyp, der ganz im häuslichen Wirken seine Erfüllung sah. „Kochen hab ich nie gelernt.“ Sie wollte mitbestimmen und mitgestalten. Und sie hat gelernt, sich zu behaupten. Als Hauptschullehrerin an einer Schule mit hohem Migrantenanteil war sie es gewohnt, erst mal „ein halbes Jahr Sozialarbeit zu machen“, bevor sie in den Unterrichtsstoff einsteigen konnte. Als erste weibliche Schiedsperson in Monheim baute sie eine Phalanx von Stempeln vor sich auf, um sich Respekt zu verschaffen. Mehrmals besuchte sie in Kolumbien Orte, an denen die Drogenmafia und Paramilitärs Angste und Schrecken verbreiten, wo die Kirchengemeinde St. Gereon karitative Projekte mit den Erlösen ihrer Basare unterstützt. Und jetzt, ein halbes Jahr, nachdem sie ein Schlaganfall niederstreckte, geht sie schon wieder ohne Rollator durch ihre Wohnung – langsam zwar, aber selbstständig – und redet ohne Punkt und Komma.

Dennoch: Mit Blick auf ihr fortgeschrittenes Alter hat sie sich jetzt von einer ihrer letzten Domänen getrennt. Kürzlich hat sie den Vorsitz des Freundeskreises Malbork abgegeben. Den hatte ihr einst Bürgermeister Thomas Dünchheim angetragen, der auch die Städtepartnerschaft mit der Stadt im ehemaligen Westpreußen betrieben hatte.

Jenniches fühlte sich von der Schönheit Masurens angezogen

Sie, die keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen mit der Region verband, fühlte sich eher von der landschaftlichen Schönheit Masurens angezogen. Natürlich habe sie auch einmal die großen Marienburg sehen wollen, nachdem sie als Kind auf dem kleinen Pendant ein- und ausgegangen war. „Meine Eltern waren mit dem Kastellan befreundet“, berichtet die 77-Jährige.

Und weil sie ohnehin „eine Reisetante“ ist, nahm sie die Anregung des neuen Bürgermeisters Daniel Zimmermann auf, regelmäßig Reisen nach Polen zu organisieren. So erhielt auch der junge, anfangs etwas schwindsüchtige Verein mehr Zulauf. Mit am eindrucksvollsten von allen polnischen Begegnungen ist ihr die in Erinnerung, als sie in ihrer Eigenschaft als Pfarrgemeinderatsvorsitzende gemeinsam mit Peter Buter (dem Boehm-Biografen) von Bischof Andrzej Suski aus Thorn und dem Pfarrer von Boleszyn, Piotr Nowak eingeladen wurde, um der Einweihung einer Gedenktafel für Franz Boehm beizuwohnen. Bei der ersten von ihnen organisierten Reise 2012 hatten die beiden die Reisegruppe zu der 300 Jahre alten Wallfahrtskirche in dem Geburtsort Boehms gelotst, und den Ortspfarrer mit der Nachricht überrascht, dass der an dieser Stelle Getaufte in einem deutschen Konzentrationslager umgekommen war. „Man hatte bei der Gedenkfeier sogar eine Urne aufgestellt, gefüllt mit Erde aus Dachau“, berichtet Jenniches.

„Wir haben Boehm zurück in seine Heimat gebracht.“ Um so mehr freue sie, dass sich nun endlich auch an seiner Wirkstätte und zwar genau dort, wo vor dem Bombenangriff im Februar 1945 der Altar stand, eine Gedenk-Büste für Boehm befindet. Es sei übrigens der Künstler Markus Lüpertz gewesen, der Zimmermann auf den Makel hingewiesen habe, dass es in Monheim kein Denkmal für den Märtyrer gebe.

Die katholische Religion hat ihr Leben geprägt. Insbesondere zu Pfarrer Winfried Motter unterhielt sie eine gedeihliche Beziehung. „Wenn hier jemand um 6.30 Uhr anrief, konnten es nur der Pfarrer oder meine Schwester sein“, erinnert sie sich. Schwerpunkt ihrer kirchlichen Arbeit bildete seit 1973 die Patenschaft für das kolumbianische Monteredendo, „ein Kaff in den Anden, wo die Menschen in bitterer Armut lebten.“ 35 Jahre lang unterstütze sie das Projekt des Ordens der Schwestern vom armen Kinde Jesu mit einem Basar. „Das Dorf erkennt man heute nicht wieder, es gibt eine Schule, eine Kita und eine Arztpraxis“, berichtet sie stolz. Inzwischen unterstützt die Gemeinde fünf Projekte des Ordens, den Schwerpunkt bildet Cazuca, ein Vorort von Bogotá, wo Kinder und Jugendliche oft Opfer von Bankenkriegen oder gewalttätiger paramilitärischer Einheiten werden. Normale Touristen würden die Region meiden. „Auch mit Kolumbien war ich immer schon bekloppt“, sagt sie salopp.

Überhaupt hatte sie wenig Berührungsängste mit fremden Kulturen. Nach der Schule lernte sie „als Übergangslösung“ Kindergärtnerin, weil ihre Eltern das Schulgeld nicht zahlen konnten. Auf dem Abendgymnasium holte sie das Abitur nach, an der Katholischen Pädagogischen Hochschule in Neuss wurde sie zur Lehrerin ausbildet, ihrem eigentlichen Traumberuf. „Ein Mikätzchen war ich aber nicht“, betont sie. Also keine Seiteneinsteigerin. Zu den muslimischen Eltern habe sie ein Verhältnis von Akzeptanz aufbauen können.

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