Langenfeld: Spurensuche im alten Haus

Projekt: Im evangelischen Jugendhaus Kaiserstraße wird von Nachwuchsforschern Geschichte wiederentdeckt.

Langenfeld. Bestätigend schauen sich Lukas Schröder und Wolfgang Schuster an. "Wusste ich es doch", lassen die beiden 15-Jährigen fast im Gleichklang verlauten. Gerade hatten sie Heinz-Dieter Oberscheidt auf einem Klassenfoto aus den 50er-Jahren identifiziert.

Ganz so leicht taten sich die übrigen 13 Kinder und Jugendlichen des Jugendhauses "Alte Schule" an der Kaiserstraße12a in Richrath dabei nicht: Die Jungs sahen sich früher doch alle irgendwie ähnlich. Dieses kleine Bilderrätsel setzte den vorläufigen Schlusspunkt unter eine Geschichtsstunde der ganz besonderen Art.

Die Leiterin des Jugendhauses, Annette Wittelsbürger, initiierte vor geraumer Zeit das Projekt "Altes Haus, erzähl doch mal". Hierbei sollen Schüler der ehemaligen evangelischen Volksschule ausfindig gemacht und eingeladen werden, um von ihren Erlebnissen zu berichten. Seit 1984 nämlich nutzt das Jugendhaus die Räumlichkeiten der damaligen Schule.

Wittelsbürger: "Wir haben in unserem Gemeindebrief alte Fotos veröffentlicht. Daraufhin hat sich unter anderem eine Frau aus Amerika gemeldet, die alle Gesichter erkannt hat und uns die zugehörigen Namen nennen konnte. So haben wir dann Schritt für Schritt viele ehemalige Schüler kontaktieren und einladen können."

Oberscheidt, 70 Jahre und gebürtiger Richrather, war nun der zweite Gast im Rahmen des Projekts. "Eines kann ich euch direkt sagen", erzählt er unmittelbar nach seiner Ankunft, "verändert hat sich an diesem Gebäude so gut wie nichts".

Zur Fragerunde hat man sich im oberen Stockwerk des zweigeschossigen Bauwerks versammelt. "Hier oben hat damals unser einziger Lehrer, der Herr Flaake, gewohnt. Zum Klassenraum musste er jeden Morgen einfach nur die Treppen runter", erzählt Oberscheidt seinen verdutzt dreinschauenden Zuhörern. Verhältnisse, die für die heutige Generation unvorstellbar sind.

Annette Wittelsbürger betont: "In diesem einen Klassenraum wurden nach dem Krieg zwischenzeitlich 120 Kinder unterrichtet. Durch die Flüchtlingsströme aus dem Osten kamen immer mehr Menschen nach Richrath, meist Protestanten."

Auch das war damals nicht frei von Konflikten. Oberscheidt: "Die Ressentiments der beiden Konfessionen waren damals sehr groß, es sind immer viele Sprüche und sonstige Gemeinheiten ausgetauscht worden. Das war nicht immer schön."

Diese und weitere Geschichten ließen die Stunde wie im Flug vorüberziehen. Frage um Frage arbeitete Juliane Müller (16) stellvertretend für die gesamte Gruppe ab. So erfuhren sie noch, dass es für unzüchtige Kinder durchaus auch mal Hiebe setzte, dass in den Kartoffelferien auf dem Acker gearbeitet werden musste, und dass in den Tornistern aus Pappe statt Heften und Stiften eine Tafel und ein Schwamm zu den Utensilien eines Schülers gehörten.

"So macht Geschichte Spaß, es war sehr interessant", meinte im Anschluss nicht nur Leonie Friese (14). Noch bis in den Abend hinein saß sie mit ein paar Freunden und Heinz-Dieter Oberscheidt im Aufenthaltsraum und stöberte in alten Richrather Bilderbänden.

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