Laien auf dem Richterstuhl

Ehrenamtliche Richter helfen bei Strafprozessen am Amtsgericht. Eine Aufgabe zwischen erschütternden Erfahrungen und der Wahrheitssuche.

Langenfeld. Wenn gravierende Taten vor dem Amtsgericht verhandelt werden und wenn dem Angeklagten eine lange Haftstrafe droht, dann helfen den Gerichtsprofis zwei Laien: ehrenamtliche Richter — die sogenannten Schöffen — sitzen neben dem Berufsrichter. Sie sollen den Fall aus ihrem Gefühl für Gerechtigkeit und aus ihrer Lebenserfahrung heraus beurteilen.

Einer von ihnen ist der Monheimer Hans-Peter Anstatt. Bis zu fünf Mal im Jahr nimmt er als einer von Dreien am erhöhten Richtertisch im Amtsgericht Langenfeld Platz, legt sein Notizbuch zurecht und hört zu. Der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten, den Zeugen. Sein Ziel: die Wahrheit herauszufinden.

Von Kollegen, die als Schöffen tätig waren, hatte Anstatt Geschichten aus dem Gericht gehört: „Vor zwei Jahren wurden neue Schöffen gesucht. Da dachte ich, ‘das interessiert mich’.“ Er meldete sich bei der Stadtverwaltung. Einige Zeit später erhielt er Nachricht, dass er auf fünf Jahre gewählt sei.

Gleich der erste Termin für Anstatt stellte sich als extrem belastend heraus: Vor zwei Jahren ging es um mehrere Vergewaltigungen. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe, alle Opfer mussten detailliert aussagen. „Es war erschütternd. Da überlegt man sich genau, ob man noch eine Frage stellt“, erinnert sich der Schöffe. Im Lauf der Verhandlung sei es ihm immer schwerer gefallen, in die Gesichter zu schauen. Umgekehrt sei auch der Angeklagte seinem Blick ausgewichen.

Immer, wenn die Staatsanwaltschaft eine Strafe zwischen zwei und vier Jahren Haft fordern will, erhebt sie Anklage vor dem Schöffengericht. Das kann auch — wie vergangene Woche — bei gewerbsmäßigem Betrug der Fall sein. Der Angeklagte sollte über das Internet Waren verkauft, aber nicht geliefert haben. In der Verhandlung haben die Schöffen das gleiche Fragerecht wie die Berufsrichter. Ihre Stimme hat im Urteil das gleiche Gewicht, nur die Akten bekommen sie nicht zu lesen.

„Der Richter gibt uns einen kurzen Überblick. Aber die Details des Falls hören wir zum ersten Mal, wenn der Staatsanwalt die Anklage verliest“, erklärt Anstatt. Sagen Zeugen aus, so frage er sich vor allem, was sie wirklich selbst gesehen haben: „Die Zeugen erzählen ihre Wahrnehmung. Aber manche waren vielleicht nur dabei.“ Dennoch stehe am Ende der Beweisaufnahme meist die Gewissheit: „So ist es gewesen.“

Durch Urteil und angemessene Strafe sieht der Schöffe den Rechtsfrieden wieder hergestellt: „Oft verabschieden sich Leute mit Handschlag. Ich finde, das drückt Respekt vor der Entscheidung aus.“

Egal, was im Gerichtssaal zur Sprache kommt: Die Schöffen müssen sich mit Äußerungen zurückhalten. Andernfalls könnte ihre Neutralität in Frage gestellt werden. Eine Anspannung, die erst im Beratungszimmer weichen kann, wenn die Tür geschlossen ist: „Dann muss man erst mal durchatmen“, sagt Anstatt.

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