Hilden: Obdachlosenhilfe am Limit

Die Wirtschaftskrise ist erst jetzt bei den Menschen angekommen. Der Verein bietet auch eine freiwillige Budgetverwaltung an. Das heißt, er übernimmt die Kontoführung, um die Personen vor erneuten finanziellen Problemen zu schützen.

Hilden. 44 Personen lebten am 31. Dezember 2009 in Notunterkünften - für eine Stadt von der Größe Hildens ist diese Obdachlosenanzahl vergleichsweise sehr gering, sagen Walter Knors und Hanno Topoll. Nicht zuletzt ist dies der Arbeit der beiden Sozialarbeiter und ihrer Kollegen der Sozialpädagogischen Einrichtung (SPE) Mühle zu verdanken.

Seit 1971 kümmert sich der Verein unter anderem um die Menschen, die in Notunterkünften leben. "Als ich vor 15 Jahren hier angefangen habe, war die Zahl der Obdachlosen dreimal so hoch", sagt Knors.

Er arbeitet mit drei Kollegen in der Wohnungsnothilfe und Sozialberatung des Vereins. Finanziert wird die Stelle über die Stadt. 2003 hat sie dem Verein die Beratung und Unterstützung von Wohnungslosen übertragen. Einen großen Teil der Arbeit der Diplom-Sozialarbeiter nimmt die vorbeugende Obdachlosenarbeit in Anspruch.

Von 575 Fällen im Jahr 2009 waren allein 252 in der Prävention. "Wohnungslosigkeit zu vermeiden, ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit", sagt Topoll. "Es gilt den sozialen Abstieg zu verhindern, gerade bei Kindern."

Deswegen handeln die Mitarbeiter, bevor der Notfall eintritt. "Wir bekommen eine Mitteilung, wenn Räumungsklagen anstehen", sagt Knors. "Im günstigsten Fall können wir die Situation klären."

Von den 252 bedrohten Parteien mussten 2009 nur 19 in die Notunterkünfte. Für Geschäftsführer Paul Lutter ein "Traumwert". Die übrigen Fälle konnten gelöst werden, indem eine Einigung mit dem Vermieter erreicht oder eine neue Unterkunft gefunden wurde.

Wohnungslosigkeit wird auch durch die nachgehende Obdachlosenarbeit vermieden. 39 Fälle wurden betreut, nachdem sie aus den Notunterkünften ausgezogen sind. Zudem bietet der Verein eine freiwillige Budgetverwaltung an. Das heißt, er übernimmt die Kontoführung, um die Personen vor erneuten finanziellen Problemen zu schützen. Etwa 150 Personen nutzen dieses Angebot.

Doch obwohl die Arbeit des Vereins sich bewährt hat, ist der Jahresbericht der Einrichtung alles andere als beruhigend. 22 Fälle mehr als im Vorjahr bearbeiteten die Fachkräfte 2009. 942 Personen (2008 waren es 920) nutzten die Beratungsangebote - Tendenz steigend.

"Es sind immer mehr betroffen, nicht mehr nur das typische Klientel", sagt Toppol. In diesem Jahr erwarten die Sozialarbeiter einen noch größeren Anstieg der Menschen mit finanziellen Problemen. Knors: "Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise werden erst verzögert bei uns ankommen."

259 Parteien nahmen 2009 die Sozialberatung zu Arbeitslosengeld II (Hartz IV), Rente oder zur Grundsicherung in Anspruch. "Erstmals mussten wir Klienten abweisen, da unsere Kapazität erschöpft ist", so Lutter.

An die Leistungsgrenze ist die Einrichtung auch im Bereich Jugendliche Obdachlose gestoßen. Toppol: "In den vergangenen Jahren gibt es einen Anstieg bei den jungen Leuten Anfang 20, die Konflikte im Elternhaus haben und deswegen ausziehen."

Sie haben meist ihre Schullaufbahn abgebrochen und sind auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar. Hinzu kommen häufig jahrelanger Haschischkonsum und psychische Probleme. Sie machen etwa 25 Prozent der Klienten der Beratungsstelle aus. "Sie benötigen einen höheren Betreuungsbedarf, den wir nicht mehr leisten können", sagt Knors.

Die Überlastung der Wohnungsnothilfe und Sozialberatung der SPE Mühle hat Geschäftsführer Paul Lutter auch in seinem Jahresbericht deutlich gemacht, der im Sozialausschuss vorgestellt wurde. "Wir haben gemerkt, dass eine Grenze erreicht ist und überlegen nun, welchen Weg wir künftig gehen können", sagt Toppol.

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