Hilden: Aufstieg im ersten Düsenjet

Vor 70 Jahren lenkte der Pilot Erich Warsitz das erste Düsenflugzeug der Welt. Später gründete er die Maschinenfabrik Hilden.

Hilden. Er gehörte zu denen, die dem Tod immer wieder buchstäblich von der Schippe gesprungen sind. Testpilot in den 1930er-Jahren - das war ein Abenteuer und Erich Warsitz mittendrin.

Vor 70 Jahren läutete der gebürtige Hattinger, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Hilden einen Namen machte, eine neue Ära in der Luftfahrt ein. Am 20. Juni 1939 steuerte er mit der Heinkel He176 das erste Raketenflugzeug der Welt. Nur ein paar Monate später flog er, am 27. August 1939, in Rostock-Marienehe mit der He 178 auch die erste Düsenmaschine.

"Am Anfang dachten wir, das Ding wird nie fliegen", erzählte der Luftfahrtpionier Jahre später seinem Sohn Lutz über die ersten Versuche mit der He 176. Den Jungfernflug hatte er, wie es hieß, ohne Wissen, von Ernst Heinkel, dem Gründer des Flugzeugunternehmens, gestartet - und schrammte knapp an der Katastrophe vorbei. "Bei ungefähr 300km/h, kurz vor dem Abheben, brach die Maschine links aus. Die linke Fläche berührte den Bodenund ich sah die Katastrophe schon kommen. Doch es ging gut. "Es war ein erhebendes Gefühl, fast geräuschlos mit 800km/h die Nordspitze der Insel Usedom zu umfliegen", notierte Warsitz später.

Bis in die 1940er-Jahre flog Warsitz so ziemlich jeden Prototypen. "1939 wurde er Cheftestpilot in Peenemünde. In Kriegseinsätzen war er aber nie", sagt Sohn Lutz (45), der heute in der Schweiz lebt. Die Nazis waren natürlich auch an der Technik interessiert, doch erschien sie ihnen nicht nützlich genug für den Krieg.

Die beiden Prototypen der He 176 und 178 landeten nach nur wenigen Testflügen im Luftfahrtmuseum Berlin, wo sie später bei einem Bombenangriff zerstört worden. Erich Warsitz beendete 1942 im Alter von 36 Jahren seine aktive Testpilotenkarriere. "Er hatte einen schweren Unfall und war über ein Jahr fluguntauglich", so Lutz Warsitz, der in den 1980er-Jahren lange Interviews mit seinem Vater führte.

Nachdem Krieg kam Erich Warsitz in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Erst 1950 kehrte er aus Sibirien zurück und startete in Hilden einen Neuanfang. 1951 gründete er die Maschinenfabrik Hilden. Doch die Fliegerei ließ ihn nie los. Bereits 1935 hatte er Wernher von Braun kennen gelernt, der ihn 1959 auch in Hilden besuchte. "Das war damals ein richtiger Menschenauflauf", weiß Lutz Warsitz von alten Bildern. Von Braun war weltberühmt. "Sie hatten ein freundschaftliches Verhältnis."

Dass der Weltraumpionier der USA heute in der Forschung aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit durchaus kritisch gesehen wird, verhehlt Warsitz nicht. "Aber darüber hat mein Vater nie gesprochen. Ich weiß nicht, ob er das überhaupt wusste."

Als der US-Konzern Brake Shoe Erich Warsitz 1962 anbot, die Maschinenfabrik zu kaufen, um die Produktion von Flugzeugteilen nach Hilden zu verlegen, sagte er schnell zu. "Er sollte damals General Manager bei der Firma werden. Zum Leidwesen meines Vaters wurden dort aber nie Flugzeugteile produziert."

Warsitz zog sich 1964 enttäuscht aus dem Geschäft zurück und siedelte in die Schweiz über. Im Alter von 76 Jahren starb der tollkühne Pilot am 12. Juli 1983 im schweizerischen Barbengo. Ein Bild der He 178 mit Warsitz im Cockpit hängt immer noch im "National Air and Space Museum" in Washington.

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