Fernwärmekunden müssen fast jeden Preis akzeptieren

Mehrere Tausend Monheimer Mieter sind dauerhaft zur Nutzung von Fernwärme verpflichtet. Ein Anbieterwechsel ist vertraglich untersagt.

Fernwärmekunden müssen fast jeden Preis akzeptieren
Foto: Büttner/dpa

Monheim. „Den Strom- oder Gasanbieter zu wechseln, ist einfach und ohne Risiko möglich. Damit haben Sie es selber in der Hand, Energiekosten zu sparen, die Umwelt zu schonen - wenn Sie Ökostrom nutzen - und Ihren Beitrag für mehr Wettbewerb im Strommarkt zu leisten“, so wirbt die Verbraucherzentrale NW auf Ihrer Homepage. Offensichtlich mit Erfolg; nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft wechselten im ersten Halbjahr 2017 fast ein Drittel der Verbraucher ihren Versorger.

Mehrere Tausend Monheimer Hauseigentümern und Mieter nutzt die 2007 begonnene Liberalisierung des Gasmarktes auch nach zehn Jahren nichts. Ihre Wohnungen sind dauerhaft zum Bezug von Fernwärme verpflichtet. Die seitenlangen Abrechnungen — zunächst von Favorit, dann RWE und heute RWE-Innogy - sind schon lange ein Ärgernis. Denn Fernwärme ökologisch und ökonomisch ist fragwürdig, „mehr als zwölf Prozent Abstrahlwärme geht auf dem Weg zum Nutzer verloren“, beklagt Rechtsanwalt Hubertus Freiherr von Buddenbrock, Vorsitzender des Vereins Haus und Grund. Kein Wunder, dass sie sehr teuer ist. Nach dem Mietkostenspiegel des Deutschen Mieterbundes 2016 lagen die monatlichen Heizkosten in normalen Wohnhäusern (ohne Fernwärme) im Schnitt bei rund einem Euro pro Quadratmeter, dazu kommen etwa 20 Cent für Warmwasser. Die Fernwärmekunden in Monheim zahlen deutlich mehr; in Einzelfällen für Heizung und Warmwasser bis zu vier Euro pro Quadratmeter im Monat.

Die Häuser verfügen über keine Kellerräume und Kaminzüge, um Heizungsanlagen einzubauen. Die Ursache für die Monopol-Stellung des Fernwärmeanbieters liegt in der jüngeren Stadtgeschichte. Beim Bauboom in Monheim und Baumberg in den 60er und 70er Jahren koppelte die Stadt Monheim die Baugenehmigung etwa im Berliner Viertel oder um die Geschwister Scholl-Straße herum mit dem „Anschluss- und Benutzungszwang“ dauerhaft an die damals entstehenden Fernheizwerke.

Die Verpflichtung zur Abnahme von Fernwärme wurde im Grundbuch festgeschrieben. Sie gilt- in Mehrfamilienhäusern - für jede einzelne Wohnung, auch wenn Wohnungen in den Folgejahren als Wohnungseigentum verkauft wurden. Sinn des Ganzen sollte sein, die damals ökologisch sinnvollen Fernwärmesysteme besser auszulasten. Damit aber wurde die Vertragsfreiheit zu Lasten der Verbraucher ausgehebelt. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, konstatierte bereits 2014: „Wenn die Kunden ihren Versorger nicht wechseln können, sprechen wir kartellrechtlich von sogenannten ‘gefangenen Kunden’. Er ist im Grunde gezwungen, (je-)den Preis zu akzeptieren“. Fernwärme geht damit zu Lasten des Immobilienwertes, „was das Wohnen an Fernwärme mehr kostet, drückt auf der anderen Seite die Kaltmiete. Davon hat nur RWE/Innogy etwas“, ergänzt von Buddenbrock.

Auch für den Mieterbund Monheim ist dieser Ärger seiner Mitglieder ein bekanntes Thema. „Es gibt aufgrund der Verträge zwischen der LEG und aktuell RWE-Innogy keine Chance, dieser Zwangsbindung zu entkommen“, bedauert auch Rechtsanwalt Clemens Wegerhoff, und räumt ein „es gibt auch keine technischen Alternativen“.

Nachdem der Energiekonzern RWE als Betreiber der beiden Fernheizwerke in Monheim und Baumberg elektronische Messsysteme in den Wohnungen installiert hat, steigen die Kosten unaufhaltsam. Wegerhoff spricht von „enormen Zuwächsen“ in der Preisgestaltung. „Weil die Gesamtkosten für einen Block feststehen und auf die Mieter verteilt werden, fühlen sich viele ungerecht behandelt“, sagt er. Übrigens: Bei Sozialhilfe-Empfängern zahlt die öffentliche Hand die Heizkosten.

Die von wechselwilligen Fernwärmekunden beauftragten Anwälte mussten in Verfahren gegen die Heizwerkebetreiber mehrfach erfahren, dass die generell übliche „Vertragsfreiheit von den ursprünglichen Immobilieneigentümern ausgeübt wurde, und nachfolgende Generationen bindet“. Nur einmal konnte von Buddenbrock einem Klienten helfen; ein betroffener Imbissbuden-Betreiber, der alle Heizkörper ausgebaut hatte, konnte beweisen, dass er dank seiner Herde völlig ohne Fernwärme auskommt.

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