Familientradition Obstwiese

Bereits der Urgroßvater von Franz Carl hatte Apfel- und Birnenbäume in seinem Garten. Noch heute stehen 20 Exemplare der alten Sorten auf der Wiese in Reusrath — einige sind mehr als 100 Jahre alt.

Langenfeld. Schneenase, Chica, Mimi und Jacki ist wohl nicht bewusst, dass sie über ein Kulturgut wachen. 20 Bäume alter Obstsorten stehen auf der Wiese von Franz Carl. Die vier Ziegendamen stutzen das Unkraut, halten den Rasen kurz — und wenn ein Fremder das Grundstück betritt, mähen sie laut.

Schon der Großvater von Franz Carl erntete Birnen und Äpfel von den Bäumen, die heute noch auf dem Hof in Reusrath stehen. „Mit einem Pferdewagen fuhr er unser Obst immer nach Mühlheim zum Markt“, das hat ihm seine Großmutter erzählt, die 1905 geboren wurde. Damals verarbeiteten die Rheinländer Birnen vor allem zu Birnenkraut, das ganz ähnlich bräunlich und dickflüssig wie Rübenkraut aussah, weiß Ralf Badtke. Er ist Experte für alte Obstsorten der Biologischen Station Haus Bürgel und rückt für Fragen zu seinem Lieblingsthema auch gerne mal aus. Franz Carl hat ihn vor Monaten angerufen, weil er zwischen seine Obstbaum-Dinosaurier junge Bäume pflanzen wollte.

Heute macht der Experte eine Stippvisite. „Die sind ein bisschen zu eng gepflanzt“, sagt Badtke mit strenger Stimme, lacht dann aber wieder sofort. Eigentlich müssten zwischen den Bäumen mindestens zehn Meter Abstand sein.

Doch auch wenn Franz Carl Gärtner ist, seine Obstwiese ist für ihn viel mehr ein Hobby — und eine Familientradition. „Mein Vater hat die alten Bäume von seinen Eltern übernommen, die wiederum haben sie von ihren Eltern und jetzt sind sie in meinen Händen.“ Auch sein Bruder betreibt in Burscheid eine große Obstwiese mit rund 200 Bäumen — alles alte Sorten.

Die Äpfel, Birnen, Kirschen und Mispeln von Franz Carl werden heute nicht mehr wie damals auf dem Markt verkauft. „Der Anbau ist nur noch zum Eigenbedarf“, erklärt Carl. Vergangenes Jahr war eine gute Ernte, da hat er einige Kilos verschenkt. Die Früchte sind heiß begehrt. „Wer einen Apfel von meinen Bäumen gekostet hat, will nie wieder einen aus dem Supermarkt“, sagt er. Allerdings musste sich so mancher erst an den Geschmack der selbstgepflückten Schätzchen gewöhnen. „Das ist wie mit Fastfood: Wer immer bei Mc Donalds essen geht, verlernt, wie etwas wirklich Gutes schmeckt.“ Er kennt die Birnen mit dem schönen Namen „Köstliche von Charneux“ schon seit Kindertagen. Immer, wenn er heute in das schmelzige Fruchtfleisch beißt, erinnert ihn das an seine Großmutter. „Omas Rezepte sind leider verloren gegangen.“

Das Erbe der Obstbäume geht nicht verloren, dafür sorgt er. Doch trotz bester Pflege und Tipps vom Experten Ralf Badtke — manchmal stirbt ein Erbstück. „Die Birne hier hat’s leider nicht geschafft“, sagt Franz Carl und zeigt auf einen morschen Stamm aus dem nur noch vereinzelt kahle Äste in die Luft ragen. „Ich habe alles versucht, sie noch einmal beschnitten, aber es hat nichts geholfen.“ Wenn Franz Carl so spricht, merkt man, dass die Bäume für ihn mehr als nur Obstlieferanten sind. So wird der abgestorbene Stamm auch nicht gefällt. Er darf zwischen seinen Geschwistern stehen bleiben.

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