Langenfeld. Zweitkleinster Ort hat größten Zuwachs

Langenfeld. · Berghausen ist Langenfelds zweitkleinster Ortsteil mit viele Sehenswürdigkeiten. Doch gerade dieser Ort mit 6300 Einwohnern hat in den letzten Jahren am meisten Zuwachs bekommen.

 Oberkirmesjong Gregor Heidkamp (3. v. l.) und die Berghausener sind zufrieden mit ihrem Ort.

Oberkirmesjong Gregor Heidkamp (3. v. l.) und die Berghausener sind zufrieden mit ihrem Ort.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Berghausen – das sind 6300 Einwohner, eine international bekannte Wasserski-Anlage, Campingplatz, Gewerbegebiete, Landes-Reit- und Fahrschule, der Spiel- und Sportverein (SSV) Berghausen, ein Sportzentrum, eine rege Kirchengemeinde, der alteingesessene Brauchtumsverein Kirmesjonge, Theatergruppe, Kirchenchor, Gesangsverein sowie eine lebendige Zwar-Gruppe („Zwischen Arbeit und Ruhestand“). „Nur Schützen gibt es bei uns nicht“, sagt Gregor Heidkamp, Vorsitzender der Kirmesjonge, mit einem Schmunzeln.

Langenfelds zweitkleinster Ortsteil hat in den letzten Jahren am meisten Zuwachs bekommen. Unzählige Eigenheime und Wohnungen sind links und rechts der Düsseldorfer Straße (L 219, ehemals B 8) entstanden, ein Altenheim und ein Einkaufszentrum; zudem wird in wenigen Wochen eine schicke Kita am Geranienweg eröffnet.

Das ursprüngliche Dorf
ist erhalten geblieben

Es gibt aber auch immer noch ein Stückchen ursprüngliches Dorf – zum Beispiel die Straße In den Höfen oder die Gegend um den Brandshof. Ende vorigen Jahres startete eine sogenannte städtebauliche Rahmenplanung für „Alt-Berghausen“, in die auch Bürger einbezogen werden. Bei einer Versammlung im Februar fiel unter anderem der Wunsch nach einer als Treffpunkt geeigneten Dorfkneipe.

Berghausen ist besonders. Besonders schön, besonders ruhig, besonders gut gelegen an Autobahn und S-Bahn, besonders gesellig und besonders grün, sind sich die Alten und die Jungen in diesem westlichen Stadtteil Langenfelds einig. „Wir sind froh und stolz, Berghausener zu sein“, sagt Mario Fernandes. Er ist 2012 mit seiner Frau Eva aus Düsseldorf zugezogen und damit ein Neuling im Dorf. Mittlerweile gibt es die beiden Kinder Louis (6) und Julia (4). „Wir haben damals etwas gesucht, wo unsere Kinder behütet aufwachsen können. Wo es eine Spielstraße und einen Spielplatz gibt und genug Grünfläche drum herum“, berichtet er. „Wir waren erstaunt, hier alles wie in der Großstadt vorzufinden: Finanzstärke, selbst eine Beachbar am Wasserski-Gelände – nur in erheblich entspannterem Rahmen“, sagt Eva Fernandes. Alles, was das junge Ehepaar gesucht hat, hat es in Berghausen gefunden: Freunde, eine funktionierende Nachbarschaft sowie „rheinisches Brauchtum und Tradition“, so Mario Fernandes, der darauf großen Wert legt. Auf den ersten Blick erstaunt das.

Der Banker spricht zwar ein ausgewählt gutes Deutsch, sieht aber unverkennbar nicht nach dem rheinischen Prototypen aus. Das Geheimnis lüftet er gern: „Meine Mutter war Portugiesin, mein Vater Inder, aber ich bin in Deutschland geboren.“ So ziemlich mit eine seiner ersten Amtshandlungen am neuen Wohnort war es, den Kirmesjongen beizutreten und mit ihnen Dorfkarneval zu feiern.

„Es ist erstaunlich“, sagt der Leiter der St.-Paulus-Kita, Gregor Heidkamp, „komplette Straßenzüge sind unserem Verein beigetreten. Nachwuchssorgen haben wir nicht.“ Erste Kontakte knüpfen neu Zugezogene mit kleinen Kindern in der Kita an der Treibstraße. Praktisch, dass der Chef dort gleichzeitig auch der oberste Karnevalsjeck ist. Und nicht nur das: Seit Jahrzenten verkörpert Heidkamp auch St. Martin und den Nikolaus für Kita und Grundschule. Im Elterncafé kommt man sich näher, erfährt, was im Dorf los ist. Und das ist nicht wenig. Neubürger zu integrieren ist offenbar eine Stärke der ortsansässigen Vereine und Verbände.

Wer echter Berghausener sein will, muss zum Gemeinschaftsleben beitragen. Die Hälfte unserer Gesprächsrunde besteht denn auch aus Berghausener Ex-Tollitäten. Gregor Heidkamp, Walter Broich vom SSV Berghausen, Birgit Konstanty von der KfD Berghausen (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) – sie alle waren mal Jungfrau, Bauer oder Prinz. Mario Fernandes strebt das auch an.

Auch der SSV Berghausen mit rund 700 Mitgliedern und den vier Sportarten Fußball, Volleyball, Tischtennis und Gymnastik profitiert vom Zuzug vieler junger Familien. Die Mitgliederzahl besonders beim Fußball wächst stark, sagt Broich. „Wir brauchen unbedingt einen zweiten großen Platz. Beim Training müssen sich mitunter 50 Leute einen Platz teilen.“

Susanne Freytag, alteingesessene Berghausenerin, im Karneval und in der Theatergruppe St. Paulus aktiv, stört der Zuwachs in ihrem Ortsteil nicht. „Ich finde es erfreulich, wie hier gebaut wird. Allerdings ist das hier ein bisschen rosa Welt. Wer nach Berghausen zieht, muss gut verdienen.“ Schmucke Eigenheime mit kleinen Gärtchen prägen die neuen Wohngebiete. Mietwohnungen gibt es kaum.

Das Jugendheim fungiert
auch als Treffpunkt für Ältere

Ein bisschen ist im Laufe der Jahrzehnte aber doch etwas verloren gegangen. Christel Hruzik, 36 Jahre Übungsleiterin beim SSV und in der kfd St. Paulus aktiv, nennt es die Gemütlichkeit. Birgit Konstanty erzählt, wie früher die Eltern ihre Kinder zum Sport brachten und noch sitzen blieben, um miteinander zu reden. „Heute haben sie keine Zeit mehr und müssen schnell zur Arbeit“, sagt sie bedauernd.

Einige Altersgenossen von Christel Hruzik sind bereits tot. „Viele alte Freunde sind weg“, sagt sie traurig. Das liegt am Lauf der Zeit, nicht an Berghausen. Dennoch spürt die aktive alte Dame den Wandel. Zum Glück gibt es das kfd-Frühstück im Jugendheim, wo sich die Älteren begegnen. „Ein zentraler Treffpunkt, nicht aufwändig, eine kleine Festhalle, die vielseitig zu nutzen ist, die brauchen wir dringend“, sagt Freytag. „Das Pfarrzentrum ist völlig ausgelastet, und die Schule platzt im aus allen Nähten.“ Auch ein Stadtteil-Café wäre schön. Eine Bürgerinitiative arbeitet daran.

Letztlich geht es um den wichtigen Kontakt von Jung und Alt. Der soll nicht in den Hintergrund geraten. Die Kita von Heidkamp – sechs Gruppen mit 100 Kindern – besucht seit längerem regelmäßig die Bewohner im noch jungen Altenheim Pro Talis. Das ist sicher der richtige Schritt.

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