Kreis Mettmann: Kein Heimweh nach „drüben“

Einen Monat nach dem Fall der Mauer 1989 reiste die Familie Stellmacher aus der damaligen DDR aus – und wohnt seitdem in Ratingen.

Kreis Mettmann. Fünf Tage vor dem Heiligen Abend gab es nur diese einzigen Gedanken: endlich das Land verlassen, nach den eigenen Vorstellungen leben, frei sein. Am 19. Dezember 1989, fünf Wochen nach Fall der Mauer, erfüllte sich der Wunsch: Elke und Reiner Stellmacher verließen ihren Heimatort Eisenberg in der damaligen DDR.

An den Tag der Ausreise kann sich Elke Stellmacher gut erinnern "Es war ein Samstag." Sie und ihr Mann haben die Bilder der Ereignisse an diesem Tag noch genau vor Augen. Geschirr, Schmuck, Kleidung, ein wenig Spielzeug der beiden Töchter Beate und Jaqueline haben sie mitgenommen. "Und die alten Uhren - alles, was uns eben am Herzen lag", sagt Reiner Stellmacher.

Es waren so viele Kisten, wie in einen Pkw-Anhänger passten. Mehr konnten sie nicht mitnehmen. "Vieles haben wir da gelassen. Aber das war in dem Augenblick nicht so wichtig", sagt Elke Stellmacher. Ihr Cousin war damals nach Thüringen gereist, um die Familie in den Westen zu holen.

Sie war vorbereitet: den Ausreiseantrag hatte sie gestellt, die Bewilligungsunterlagen in der Tasche sowie ihre "Identitätsbescheinigungen, weil wir ja unsere DDR-Pässe abgeben mussten. Immerhin hatte man uns die Staatsbürgerschaft aberkannt", erzählt Elke Stellmacher. Auch ihren Trabi hatten sie verkauft - bereits ein halbes Jahr zuvor.

"Wir haben immer ausreisen wollen. Damals, 1977, war das schon unser Wunsch, und wir hatten einen Antrag gestellt, den dann aber wieder zurückgezogen, weil meine Frau schwanger wurde", berichtet Reiner Stellmacher. In den 80er-Jahren seien dann die Ausreisepläne konkreter geworden, nachdem er und seine Frau zu Gast bei Verwandten im Westen waren. Damals lernten sie auch Ratingen und den Kreis Mettmann kennen.

Doch der Einzug in die neue Heimat gestaltete sich schwierig: "Mein Cousin verspätete sich. Und wir hatten einen bestimmten Zeitpunkt, bis zu dem wir das Land verlassen mussten. Sonst hätten die uns vielleicht wieder Ärger gemacht", sagt Stellmacher. Und lag mit dieser Prognose richtig.

Probleme gab es, weil die Unterlagen nicht in Ordnung waren. "Der Pass meines Cousins war abgelaufen. An der Grenzen standen zwei Polizisten. Der Jüngere von den beiden hat uns dann schnell die Papiere gegeben und uns gesagt: ,Schnell, fahrt!’"

Etliche Autostunden später die Ankunft in Ratingen. "Heimweh oder Wehmut hatte ich nicht. Ich war einfach nur froh", sagt Elke Stellmacher, und ihr Mann fügt hinzu: "Wir hatten einfach auf die Gängeleien in der DDR keine Lust mehr. Aber wenn dann auf einmal Männer im Ledermantel mit Hut vor deinem Haus entlanglaufen, dann hörst du irgendwann auf, dich mit deinem Wunsch durchsetzen zu wollen."

Angekommen in Ratingen, meldeten sich die Stellmachers im Einwohnermeldeamt, dann beim Arbeitsamt. Nach zwei Monaten hatten beide einen Arbeitsplatz gefunden - sie als Bürokraft, er als Maler. "Das war ganz klar, dass wir uns sofort Arbeit suchen", sagt Elke Stellmacher. In der DDR habe es das gar nicht gegeben - so etwas wie arbeitslos sein, Stütze beziehen.

Im Mai 1990 haben sie eine eigene Wohnung bezogen, nachdem sie zunächst bei dem Cousin hatten unterkommen können. "Das war ein schönes Gefühl", sagt die heute 53-Jährige. Kontakte zu anderen Menschen haben sie und ihr Mann schnell gefunden, "weil wir ja Arbeit hatten. Da ergibt sich das automatisch".

21 Jahre nach ihrer Ausreise sind sie längst in Ratingen angekommen. "Wir haben uns hier ein Leben aufgebaut, Freunde, Bekannte. Hier ist unser Lebensmittelpunkt", sagt Reiner Stellmacher, der sich in seinem Beruf selbstständig gemacht hat. "Wenn wir jemals zurückziehen sollten, dann vielleicht, wenn wir in den Ruhestand gehen."

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