Zweiter Prozess nach Raubüberfall auf Rentner in Haan Opfer erlebt Tatnacht vor Gericht noch einmal

Haan. · Das Opfer muss im Prozess gegen einen weiteren Mittäter noch einmal den brutalen Raubüberfall in allen Einzelheiten schildern.

 LKA vor Ort an der Hermann-Löns-Weg, Raub, Renter , überfall

LKA vor Ort an der Hermann-Löns-Weg, Raub, Renter , überfall

Foto: Alexandra Rüttgen

„Mein Leben hat an diesem Tag aufgehört.“ Wer so etwas sagt, muss Dinge erlebt haben, für die es keine Worte gibt. Und wer so etwas hört, der weiß: Hier wurde jemand zutiefst in der Seele erschüttert. Die Sprache gerät an ihre Grenzen, wenn es um traumatische Erlebnisse geht. Auch die beeindruckende Eloquenz des 85-Jährigen Pensionärs, der im Mai 2017 in seinem Haus überfallen worden war.

Und dennoch musste der Mann nun erneut erzählen, was sich damals stundenlang vor seinen verbundenen Augen abgespielt hatte. Das hat er zuvor schon mehrfach bei der Polizei getan und dann wieder beim Prozess gegen vier Angeklagte im Sommer 2018. Weil der Drahtzieher des Überfalls wegen diverser Geldtransporter-Überfälle in Hagen angeklagt war, musste er auch dort aussagen.

Weil es einen neun Angeklagten gibt, musste der Senior aussagen

Nun gibt es einen weiteren Angeklagten, dem der Prozess gemacht wird – und wieder musste der Pensionär sich daran erinnern, wie er geknebelt und gefesselt im Wohnzimmer auf seinem Stuhl saß. Wie ihm die Täter damit drohten, ihn zerteilen und ihrem „Chef“ im Plastiksack zukommen lassen zu wollen. Wie er geschlagen wurde und getreten. Wie man ihm damit gedroht hat, ihm einen Finger abzuschneiden. Und immer wieder dieser Satz: „Wo ist dein Geld?!“

Am Ende habe man ihn mit Brandbeschleuniger bespritzt. „Als sie mich auszogen, habe ich mit meinem Leben abgeschlossen“, erinnert sich der 85-Jährige. Was er sonst noch über diese Augenblicke sagt, lässt eines deutlich werden: Es gibt diesen Moment im Erleben eines Opfers, in dem sich die Seele aus dem Geschehen ausschaltet. Weil es zu unerträglich ist. Weil man nicht kämpfen kann und nicht fliehen. Weil es keinen Ausweg mehr gibt.

Der Pensionär war damals gefesselt und geknebelt auf die Terrasse gesetzt worden. Zuvor hatte man dem Mann gesagt, dass es gleich warm werden würde. Kurz darauf stand das Haus in Flammen – er selbst konnte sich auf eine Wiese rollen, bevor die brennende Markise hinter ihm abbrach. Ein Nachbar hatte den 85-Jährigen bis auf die Unterhose entkleidet im Garten liegend gefunden und die Rettung gerufen. Die Feuerwehr löschte, die Polizei sicherte Spuren, befragte Zeugen und fotografierte das Opfer. Es ist erschütternd, sich so etwas später anschauen zu müssen. Wunden an den geknebelten Händen, Hämatome im Gesicht: Man möchte dem Richter zurufen, die Bilder doch bitte beiseite zu legen und dem Gewaltopfer keine Fragen mehr zu stellen. Wohlwissend, dass das nicht geht. Derweil erzählt der Pensionär von dem Tag zwei Jahre nach der Überfall, an dem er plötzlich nicht mehr habe aufstehen können. Von monatelangen Klinikaufenthalten ohne Diagnose, von posttraumatischem Stress. Wie wunderbar scheint es derweil den Tätern zu gelingen, die Sache vom Zettel zu streichen. Der 37-Jährige will stundenlang auf der Terrasse gewesen sein.

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