Wenn das Knöllchen vom Nachbarn kommt

Darf das Ordnungsamt auf die Anzeige eines Bürgers hin Verwarnungen verschicken?

Wenn das Knöllchen vom Nachbarn kommt
Foto: mak

Hilden. Franz Seidel (Name geändert) ist sauer. Da landete eine schriftliche Verwarnung in seinem Briefkasten samt Zahlungsanweisung wegen Falschparkens bei ihm vor der Haustür. Er möge 25 Euro überweisen oder zu der Sache Stellung nehmen. „Da hatte mich aber keine Politesse aufgeschrieben“, berichtet Seidel. „Stattdessen hat mein Nachbar mich angezeigt.“ Was ihn empört: Ohne dass das Ordnungsamt selbst die Sache geprüft hat, hat es sich die Anzeige zu eigen gemacht und das Knöllchen anhand eines „Beweisfotos“ geschrieben. Nachdem Seidel Einspruch eingelegt hat, hat das Amt das Verfahren tatsächlich eingestellt.

Laut Stadt hat es im vergangenen Jahr 316 solcher Anzeigen gegeben, die mehrere tausend Euro für die Stadtkasse gebracht haben. „Und ich frage mich, wie viele davon wohl unberechtigt ausgefertigt und bezahlt worden sind“, sagt der Hildener, der an einer kleinen Stichstraße wohnt. Dort gibt es einen Bereich mit eingeschränktem Halteverbot, in dem der ein oder andere durchaus kurzzeitig parkt. „Aber zu dem Zeitpunkt, den mein Nachbar in seiner Anzeige angab, stand mein Wagen dort nicht.“ Eine weitere Familie sei bereits mehrfach angezeigt worden und habe — im Gegensatz zu ihm — auch gezahlt. Auch bei ihnen sei die Beweislage nicht eindeutig gewesen. Seidel fragt sich: Ist das Verwarngeld überhaupt rechtens? „Jedes Verfahren ist rechtens und richtet sich streng nach den gesetzlichen Vorgaben. Diese Verfahrensweise kann und wird daher nicht geändert“, sagt Ordnungsdezernent Norbert Danscheidt. Das Knöllchen sei ebenso teuer wie ein von einer Politesse aufgeschriebenes. Wenn jemand das Amt anschreibt und begründet darlegt, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, kann die Behörde die Verwarnung aussprechen. In Seidels Fall sei eine Begehung der Örtlichkeit nicht erforderlich gewesen, weil sie „hinlänglich bekannt“ sei.

Allerdings funktioniere die Annahme einer Anzeige nicht „auf Zuruf“, sondern nur, wenn der Anzeigende sich schriftlich meldet und vor allem bereit ist, auch vor Gericht als Zeuge auszusagen — dazu sind viele Anzeige-Erstatter nicht bereit, wollen lieber anonym bleiben. „Wir selbst können ja nicht bezeugen, weil wir die Situation nicht gesehen haben“, sagt Danscheidt. Das gehe zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung auch kaum mehr, „da sich die Leute ja meistens Tage später melden und nicht zu dem Zeitpunkt, an dem der Wagen falsch parkt“.

Im Zweifel, in möglichen Grenzfällen, zieht das Ordnungsamt die Verwarnung auch lieber zurück als auf ihr zu bestehen, aber: Zwei Drittel aller Angeschriebenen zahlen ohne zu murren. Seidel rät jedem, bei einem „Knöllchen vom Nachbarn“ Einspruch einzulegen und erst einmal nicht zu bezahlen. „Was soll ein Foto schon beweisen?“, fragt der junge Mann. „Bei dieser Methode sind doch Manipulation und Denunziation Tor und Tür geöffnet.“

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