Weltblutkrebstag am 28. Mai „Ich würde das immer wieder tun“

Hilden · Verena Becker aus Hilden lässt sich vor sechs Jahren typisieren. Ein paar Monate später gibt es einen Treffer, kurz danach werden ihr Stammzellen entnommen – und retten einem 26 Jahre alten Mann das Leben. „Ich würde das immer wieder machen“, sagt sie. Auch wenn sie zwischendurch Zweifel hatte.

 Verena Becker aus Hilden hat 2016 einem 26-Jährigen mit ihrer Stammzellenspende das Leben gerettet.

Verena Becker aus Hilden hat 2016 einem 26-Jährigen mit ihrer Stammzellenspende das Leben gerettet.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Und dann liegt dieser Brief von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) im Briefkasten von Familie Becker – der Datenabgleich habe ergeben, dass Verena Becker als potenzielle Spenderin infrage kommt: „Wir rufen Sie an.“ Das war vor sechs Jahren, erzählt die heute 43 Jahre alte Hildenerin. Sie hatte sich erst kurz zuvor typisieren lassen. Dass sie so schnell einem Menschen das Leben retten kann, das hätte sie damals nicht für möglich gehalten.

Die Mutter von vier Kindern möchte sich eigentlich schon immer mal typisieren lassen: Stäbchen in den Mund, Stäbchen in den Umschlag und ab damit nach Köln zur DKMS. Aber die Sonderpädagogin kommt nicht dazu, das Thema geht im stressigen Alltag unter. „Aber gerade in den Sozialen Medien wird immer wieder über die Schicksale von Blutkrebspatienten berichtet“, sagt Verena Becker.

Vor allem die von Kindern berühren sie sehr. Sie bestellt das Typisierungs-Päckchen, lässt sich registrieren, denkt irgendwann auch nicht mehr daran. Bis der Brief im Briefkasten liegt.

„Kurz nach dem Brief haben wir telefoniert. Es hieß, dass es passen könnte, dass aber noch einige Untersuchungen gemacht werden müssten“, sagt Verena Becker. Sie verbringt einen Tag in einer Kölner Klinik, wird von oben bis unten durchleuchtet, ihre Gewohnheiten werden abgefragt.

Alles passt. „Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, Stammzellen zu spenden“, erklärt Verena Becker: „die periphere Stammzellentnahme und die Knochenmarkentnahme.“ Die periphere Stammzellentnahme ähnelt einer Blutspende. „Bei mir wurde Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen“, sagt die Hildenerin. Der Arzt entscheidet, welche Methode die besten Chancen für den Patienten birgt.

In ihr wachsen leise Zweifel: Immerhin bedeutet die Knochenmarkentnahme Narkose und OP. Und dann sei sie auch noch von einer Bekannten gefragt worden, ob sie sich sicher sei – immerhin habe sie eine Familie. „Ich habe bei der DKMS angerufen und noch einmal über die OP gesprochen“, sagt sie. „Der Arzt erklärte mir, dass die Entnahme aus dem Beckenkamm in diesem Fall notwendig sei.“ Das Gespräch habe ihr ein gutes Gefühl gegeben – „ich habe mich ohnehin die ganze Zeit sehr gut aufgehoben gefühlt.“

Mehr als zehn Millionen Menschen gespeichert

Es sind bereits mehr als zehn Millionen Menschen in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) gespeichert. Weltweit sind es etwa 40 Millionen. „Neun von zehn Patienten finden einen passenden Stammzellenspender“, sagt Clara Bigalke von der DKMS. Da es bei einer Stammzellenspende um etliche Faktoren geht, die passen müssen, ist es nicht ganz so einfach, einen Spender zu finden. Daher ist das zentrale Register weltweit vernetzt und sucht alle Dateien auf der ganzen Welt nach passenden Spendern ab. Inzwischen ist es sehr einfach geworden, sich registrieren zu lassen. „Man muss zwischen 17 und 55 Jahre alt sein, darf nicht unter 50 Kilo wiegen und keinen BMI über 40 haben“, zählt Bigalke auf. Außerdem dürfen natürlich keine Krankheiten vorliegen, die entweder den Spender oder den Empfänger gefährden könnten. Zur Registrierung wird auch kein Blut mehr abgenommen. Es reicht, eine Speichelprobe abzugeben. Am 28. Mai ist Weltblutkrebstag.

Am Tag der OP in Köln war Verena Becker ein wenig aufgeregt, gibt sie zu. „Ich hatte ein wenig Schiss.“ Aber sie zieht es trotzdem durch. „Ich sollte von 100 herunterzählen – ich kam bis 96“, erinnert sie sich an die Narkose. Als sie aufwacht, hat sie Schmerzen, aber keine übermäßigen. „So, als ob mir jemand in den Rücken getreten hätte.“ Narben bleiben am Ende keine zurück. Aber der Schmerz wird schnell von dem Gefühl überstrahlt, jemandem geholfen zu haben, sagt sie. „Ich wusste nicht, wer meine Stammzellen erhält“, sagt die Hildenerin. Doch recht kurz nach der OP erfährt sie es dann doch: Die Knochenmarkspende geht in die USA, ein 26 Jahre alter Amerikaner erhält sie.

Alle zwölf Monate am Jahrestag erhält Verena Becker im Anschluss einen Brief von der DKMS, in dem sie erfährt, wie es dem Patienten geht. Vier Jahre lang geht das so. „Wir hätten uns nach zwei Jahren persönliche Briefe schreiben können“, erklärt Verena Becker. „Ich habe gewartet, ob er sich meldet – ich wollte ihm diese Entscheidung überlassen.“ Doch es kommt kein Brief aus den USA, was die Hildenerin aber nicht ärgert. Sie freut sich immer noch, dass sie mit vergleichsweise geringem Aufwand einem Menschen das Leben retten konnte. „Ich würde es immer wieder machen“, sagt Verena Becker.

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