Tauschbörse für Lesestoff

Der offene Bücherschrank am Wiederhold-Platz wird gerne und reichlich genutzt.

Hilden. Wer sagt, Bücherschränke seien langweilig, sollte sich zum Itterufer begeben. Die rostbraune Stahlkiste hinter dem Rathaus ist ein Magnet für Passanten. Nachmittags halten alle paar Minuten Fahrradfahrer an. Kleine Gruppen durchstöbern die Bestände. Das Prinzip ist einfach: Jeder nimmt, was ihm gefällt, hinterlässt dafür, was er entbehren kann. Fair ist, Gelesenes zurück zu bringen.

„Die ’Anleitung zum Ehebruch’ von Carol Clewlow, das ist eine tolle Geschichte. Und hier: ’Knittel’ — ein Klassiker“, sagt Barbara Weckerle. Die Rentnerin ist zum ersten Mal zum Schrank gekommen. Sie hat sich zur richtigen Stelle durchgefragt.

Einen offenen Bücherschrank kennt Weckerle aus Düsseldorf, vom Rheinufer: „Da kann man aber von beiden Seiten an die Regalböden.“ In Hilden sind die Bücher der zweiten Reihe inzwischen etwas versteckt. In der Kiste findet Weckerle noch die Geschichtstabelle „Kulturfahrplan“ von Werner Stein, Erzählungen von Heinrich Böll und die Erlebnisse von Reinhold Messner am 8000-Meter-Berg K2.

„Wenn ich den Schrank so sehe, bekomme ich Lust, den mal aufzuräumen“, sagt Weckerle. Darum kümmern sich die Benutzer. „Bedenken, das gehe nicht ohne Personal, sind längst verstummt“, sagt Ratsmitglied und Bücherschrank-Initiator Ludger Reffgen (BA/CDf).

Der im Frühsommer aufgestellte Schrank werde so rege genutzt, dass ähnliche Einrichtungen an anderen Stellen in der Stadt gute Chancen haben könnten, ergänzt Reffgen. Das Gelände der Albert-Schweitzer-Schule sei seiner Ansicht nach geeignet.

Der Kulturausschuss benannte schon im Dezember 2009 mögliche weitere Standorte: den Alten Markt oder den Platz vor dem Rathauscenter. Es sollten belebte Stellen sein, an denen Bürger die Szene im Blick haben. Dass der Bücherschrank umgekehrt als neues Ziel einen Platz beleben kann, kommt fast überraschend.

Armin Thoms bringt Krimis zurück: „Meine Frau liest so etwas. Das hier ist eine richtige Tauschbörse.“ Für sein Interesse — nordamerikanische Indianer — erwarte er allerdings nichts zu finden, sagt der 53-jährige Hildener. Das Thema sei zu speziell. „Der Schrank hier ist ein bisschen klein“, sagt Thoms: „Ich habe gehört, irgendwo hat jemand mal eine Telefonzelle zu einem öffentlichen Bücherschrank umgebaut. Das finde ich gut.“

Mit der Stadtbücherei kann das Schränkchen noch nicht konkurrieren. Statt beinahe 80 000 Medien wie im Haus am Nové-Msto-Platz stehen auf den drei Regalböden am Itterufer durchschnittlich 100 Bände. Dafür können die Bücher aus dem Stahlschrank beliebig lange behalten werden. „Genau das war mein Ziel: mit einfachen Mitteln das Kulturangebot in Hilden zu ergänzen“, sagt Reffgen.

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