„Skandalfotos“ von der Station des Vergessens

Die vermeintliche Misshandlung von Demenzkranken hält Prüfung nicht stand.

Hilden. Auf den ersten Blick sind die Fotos eindeutig: Sie zeigen einen umgekippten Rollstuhl. Darin sitzt ein fixierter Mann, der hilflos seinem Schicksal ausgeliefert ist. Aufgenommen wurden die Bilder in der gerontopsychiatrischen Pflegestation "Haus Ahorn" im Seniorenzentrum Dorotheenpark in Hilden - und zwar von Pflegekräften.

"Ja, die Fotos gibt es. Sie wurden von uns gemacht", sagt Geschäftsführer Peter Jaspert im WZ-Gespräch. "Allerdings nicht aus Spaß, sondern zur Dokumentation. Genauso wie der Mann nicht liegen gelassen wurde und die ganze Situation weder ein Unfall und schon gar kein Übergriff war. Der Patient wollte das."

"Liebe Gäste, Sie verlassen jetzt Ihre Welt und betreten unsere Welt, die Welt der Dementen", heißt es auf einem Schild am Eingang. "Damit jeder Besucher daran erinnert wird, dass er mit dem Überschreiten der Türschwelle alles Rationale hinter sich lässt", sagt Jaspert zur Erklärung.

119 Bewohner, die meisten jenseits der 70 Jahre, sind auf der geschlossenen Abteilung im Dorotheenpark, die zur Düsseldorfer Graf-Recke-Stiftung gehört, untergebracht.

In der Regel liegt ein richterlicher Beschluss auf Einweisung vor, weil die Senioren ihre Alltagskompetenz durch das Erkrankungsbild oft vollständig eingebüßt haben. Und dazu gehört nach Ansicht der Richter auch das Fixieren der Patienten - zur ihrer eigenen Sicherheit und zu der ihrer Mitbewohner.

"Bei uns passieren Dinge, die ein Gesunder nicht für möglich hält", erklärt Heike Zoike, die seit 15Jahren in "Haus Ahorn" als Pflegekraft arbeitet. "Unsere Einrichtung ist keinesfalls mit einem normalen Pflegeheim zu vergleichen." Zoike erzählt von Menschen, die sich auf den nackten Boden legen.

Nicht, weil sie gestürzt sind und Hilfe benötigen, "sondern, weil sie das einfach so wollen. Die Menschen bei uns sind krank. Sie wissen nicht, was sie tun." Daher sei es wichtig, die Hintergründe für ihr Handeln zu kennen. "Fotos ohne diese Zusatzinformationen vermitteln natürlich ganz andere, falsche Eindrücke", sagt Heike Zoike.

Aber warum hat sich der Mitarbeiter dann an die Öffentlichkeit gewendet und prangert "unhaltbare Zustände" an? "Er wollte eine bevorzugte Behandlung an seinem Arbeitsplatz", sagt Jaspert. "Und hat versucht, die Heimleitung unter Druck zu setzen." Als die sich nicht einschüchtern ließ, habe er die Fotos an die Öffentlichkeit lanciert. "Er hatte uns das sogar angedroht."

Mittlerweile ist der Mitarbeiter vom Dienst freigestellt und hat Hausverbot. Zudem prüft die Graf-Recke-Stiftung straf- und arbeitsrechtliche Schritte.

"Die im Raum stehenden Vorwürfe sind absolut haltlos", sagt Manfred Vollmer von der Heimaufsicht des Kreises Mettmann. "Als wir die Bilder gesehen hatten, waren wir zuerst schockiert", sagt der Experte. "Daher sind wir sofort rausgefahren."

Allerdings sei schon kurz darauf und nach dem Studium der "lückenlosen Dokumentation die Wahrheit ans Licht gekommen". Zum Beispiel, dass der Mann im Rollstuhl absichtlich Unfälle baue, "damit ihm danach wieder aufgeholfen wird", wie es der Theologische Vorstand der Graf-Recke-Stiftung, Ulrich Lilie, beschreibt.

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