Prozess nach Säureanschlag in Haan Angeklagter sieht sich als Opfer eines DNA-Diebstahls

Haan/Wuppertal · Am zweiten Verhandlungstag im Prozess nach dem Säureanschlag auf den Haaner Energiemanager sagt der Angeklagte zwar aus, weist aber jede Schuld von sich.

 Der Angeklagte Nuri T. im Gespräch mit seinem Anwalt. Am 11. Juli gab es den zweiten Verhandlungstag im Landgericht Wuppertal.

Der Angeklagte Nuri T. im Gespräch mit seinem Anwalt. Am 11. Juli gab es den zweiten Verhandlungstag im Landgericht Wuppertal.

Foto: Sabine Maguire

Seit dem 4. März 2018 ist im Leben von Bernhard Günther nichts mehr so, wie es war. An diesem Sonntagmorgen wurde der damalige RWE-Manager zum Opfer eines Säureanschlags. Am Tatort im Haaner Musikantenviertel hatten Ermittler einen Handschuh gefunden mit der DNA eines 42-jährigen Belgiers, der nun auf der Anklagebank sitzt. Noch immer leidet Günther unter den Folgen des Überfalls, seine Haut im Gesicht ist vernarbt. Schon vor Prozessbeginn hatte er vor allem von einer Hoffnung gesprochen: Dass der Prozess offenbart, wer hinter dem Anschlag steckt. Im Angeklagten sieht er einen Handlanger, für den Auftraggeber hält er einen vermeintlichen Konkurrenten aus der Management-Etage von RWE.

Eigentlich hätte Bernhard Günther am zweiten Verhandlungstag selbst gehört werden sollen, dazu kam es nicht. Der Energiemanager hat Corona, mittlerweile ist er als Finanzvorstand für den finnischen Energieversorger Fortum tätig. Schon beim Prozessauftakt hatten sein Anwalt und auch der Vorsitzende Richter angesichts der erdrückenden Beweislage an den Angeklagten appelliert, sich zu den Tatvorwürfen einzulassen. Der hatte damals noch geschwiegen, nun hat er doch etwas gesagt.

 Der 2018 bei dem Säureanschlag schwer verletzte Energie-Manager aus Haan hätte am Montag am zweiten Verhandlungstag aussagen sollen, war aber erkrankt.

Der 2018 bei dem Säureanschlag schwer verletzte Energie-Manager aus Haan hätte am Montag am zweiten Verhandlungstag aussagen sollen, war aber erkrankt.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Es gab aber kein Geständnis. Stattdessen klärte Nuri T. die Prozessbeteiligten darüber auf, dass es nichts Ungewöhnliches sei, wenn DNA gestohlen werde, um jemanden zu Unrecht zu belasten. Er jedenfalls halte sich für das Opfer eines solchen DNA-Diebstahls. Und er lieferte auch gleich noch die Erklärung dazu, wie das bei ihm abgelaufen sein könnte. Auf dem Parkplatz eines Bordells in Grefrath sei sein Auto aufgebrochen worden, dort habe man Zigarettenkippen, einen Schal und Parfüm geklaut. Im Puff habe ihm Marko einen Handschuh gegeben, mit dem er an verschmutzten Automaten gespielt habe. Später soll Marko den Handschuh im Müll entsorgt haben.

 An diesem Weg zwischen Breidenhofer Straße und Karl-August-Jung-Platz geschah der Überfall.

An diesem Weg zwischen Breidenhofer Straße und Karl-August-Jung-Platz geschah der Überfall.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Der Angeklagte erwähnt
bereits verdächtigen Mittäter

Vielleicht aber auch nicht – dem Angeklagten dürfte jedenfalls klar gewesen sein, dass man im Gerichtssaal aufhorchen würde bei diesem Namen. Marko L. hatten Ermittler nach einem anonymen Hinweis schon im Herbst 2019 als möglichen Täter im Visier, der Ringer wurde nach einem Kampf in einer Kölner Sporthalle festgenommen. Bernhard Günther identifizierte den Mann auf Facebook-Fotos als einen der beiden Männer aus dem Park. Die Beschwerdestelle des Wuppertaler Landgerichts schaltete sich ein: Die Art der Übermittlung der Fotos habe dessen Wahrnehmung täuschen können. Marko L. wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, ein weiterer anonymer Hinweis hatte zu Nuri T. geführt.

Der wiederum plauderte nun munter über sein Leben als Stammkunde im Bordell, in dem er freien Eintritt gehabt habe. Immer nett zu allen, Streitereien könne er nicht ertragen. Einmal sei er dort allerdings mit 30 Bekannten aufgelaufen, nachdem es zuvor Streit gegeben habe. Von „denen“ lasse er sich nichts sagen. Wer „die“ sind? Angeblich Leute aus einem Motorradclub, die im Bordell hätten für Ordnung sorgen wollen.

Und wie ist die Wunde an seinen Fuß gelangt, mit der er kurz nach der Tat beim Arzt und im Krankenhaus war? Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Nuri T. hat sich bei dem Anschlag auf Bernhard Günther versehentlich selbst Schwefelsäure über den Fuß gekippt. Der aber bestreitet das nun lautstark und verstrickt sich in Widersprüche. Die erste Erklärung: Ihm sei in seiner Werkstatt ein Rußpartikelfilter auf den Fuß gefallen. Die zweite Erklärung: Jemand habe im Puff mit einer Flüssigkeit auf seinen Schuh gesprüht. Die dritte Erklärung stammt aus dem Krankenhausbericht: Dort hatte Nuri T. gesagt, dass in der Werkstatt ein Regal umgekippt sei mit verschiedenen Flüssigkeiten. Also doch Säure? Davon will der Angeklagte nichts wissen. Es sei eine Frechheit, dass seine Verletzung nun hineingezogen werde in „diese Sache“.

Er bleibt dabei: Jemand habe seine DNA gestohlen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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